Spielerschutzmaßnahmen als zentrale Kriterien für die Zulässigkeit der Einschränkung von Glücksspielangeboten
Spieler-Info.at ersuchte Österreichs renommierten Glücksspielrecht-Spezialisten Mag. Georg Streit, Kanzlei Höhne, In der Maur & Partner um eine Expertise zur aktuellen Novellierung.
Die Beschränkung von Glücksspielangeboten, etwa durch ein Konzessionssystem wie in Österreich, ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (zuletzt EuGH 8.9.2009, Rs-C 42/07) mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn diese Beschränkungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind und etwa Zielen, wie dem Verbraucherschutz, der Betrugsvorbeugung oder der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für Glücksspiele unter Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen dienen.
Die Beschränkungen von Glücksspielangeboten müssen geeignet sein, die mit ihnen verfolgten Ziele zu erreichen. Die Rechtslage muss nach der Rechtsprechung des EuGH insgesamt „kohärent und systematisch“ die zur Beschränkung der Glücksspielangebote angegebenen Ziele verfolgen.
Diese Rechtsprechung ist der Maßstab, an dem sich auch die österreichische Glücksspielrechtslage messen lassen muss.
Daher verlangt die Novellierung der Glücksspielrechtslage in Österreich nach einer „systematischen kohärenten“ Verfolgung von Zielen zum Schutz der Spieler. Spielerschutzmaßnahmen dürfen nicht bloß Lippenbekenntnisse bleiben. Sie müssen ernsthaft administriert werden, es muss behördliche Unterstützung zu deren Einhaltung geben. Der Gesetzgeber ist gefordert, neben der rigorosen Kontrolle des Zugangs zum Glücksspiel unter Kontrolle der Einhaltung von Zugangsbeschränkungen auch Maßnahmen zu setzen, die krankhaftes Spielen verhindern, aber Spielsuchtkranken auch Unterstützung anzubieten, um die nachteiligen Folgen des Glücksspiels so weit wie möglich hintan zu halten.
Spielerschutz sollte nicht auf begleitende Rahmenbedingungen und spielerschutzorientierten Spielverlauf beschränkt bleiben. Nicht erst der Spielablauf selbst sollte genau geregelt werden. Auch Begleitmaßnahmen für bereits durch das Glücksspiel Geschädigte sind erforderlich, mehr aber noch Maßnahmen zur Vorbeugung der Spielsuchterkrankungen.
Die Anordnung in der geplanten Novelle, wonach die Mitarbeiter eines Casinos in Zusammenarbeit mit zumindest einer Spielschutzeinrichtung im Umgang mit Spielsucht zu schulen sind, mutet nicht als ausreichend an. Ohne Förderung von unabhängigen Spielschutzeinrichtungen oder professionelle Unterstützung der Spielsuchtbekämpfung durch externe Stellen ist die gesetzliche Regelung des Spielerschutzes wohl nur als halbherzig zu bezeichnen.
Die Ernsthaftigkeit der Umsetzung von Spielerschutzbestimmungen ist Maßstab für die Beurteilung, ob die Glücksspielbeschränkung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union tatsächlich „kohärent und systematisch“ ist, wie dies vom EuGH gefordert wird. Den Spielbetrieb in kontrollierte Bahnen zu lenken, Spieler vor den Gefahren des Betrugs und der Kriminalität zu schützen, ist nur eine Seite der möglichen Maßnahmen des Gesetzgebers. Die Bekämpfung der mit dem Glücksspiel und der Spielsucht verbundenen Kriminalität einerseits und die Vermeidung der mit Spielsucht und Kriminalität aufgrund des Glücksspiels verbundenen Folgekosten andererseits sollte ebenso Berücksichtigung finden.
Dies könnte durch die Schaffung von Therapiezentren, Forschungsstätten für Glücksspielerkrankungen und mit dem Glücksspiel verbundene negative Folgen sowie eine umfassende Information der am Glücksspiel interessierten Personen durch dafür geschaffene Einrichtungen erfolgen. Diese Spielerschutzmaßnahmen könnten aus den Einnahmen aus dem Glücksspiel problemlos finanziert werden. Der Gesetzgeber ist auch in anderen Rechtsbereichen diesen Weg gegangen, etwa durch Etablierung eines Kompetenzzentrums im Bereich Rundfunk und Telekommunikation bei der Rundfunk- und Telekomregulierungs-GmbH (RTR). Der Rundfunk und Telekom-Bereich könnte auch als Vorbild in anderer Weise dienen: Wie eine Robinson-Liste nach dem TKG könnte das Kompetenzzentrum Glücksspiel auch eine Liste aller gesperrten Spieler dokumentieren wie auch alle Glücksspielanbieter und deren Zulassungsbescheide, die die Grundlage für ihre Tätigkeit sind. Für Spielbedingungen etc. ließe sich eine Meldepflicht im Gesetz verankern, die vom Kompetenzzentrum verwaltet werden könnte. Und auch andere Rechtsbereiche können als Vorbild dienen: Ein hohes Spielerschutzniveau könnte durch eine rigorose Prüfung und Genehmigungspflicht aller Spielapparate, ähnlich wie im Kfz-Bereich erreicht werden. Die Pflicht zur jährlichen Überprüfung von Spielautomaten auf die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen, verbunden mit einer amtlichen Bestätigung, etwa einer für jeden Spieler deutlich erkennbaren Plakette könnte nicht nur dazu beitragen, „schwarze Schafe“ aus dem Verkehr zu ziehen, sondern auch Betreibern geprüfter Spielautomaten und Spielern mehr Sicherheit geben.
Und natürlich gehört zum Spielerschutz auch die Eröffnung des Rechtsweges für durch das Glücksspiel Geschädigte – und nicht die Erschwerung der Durchsetzung von Schadenersatzforderungen. Die Rücknahme der vom Verfassungsgerichtshof bereits als verfassungswidrig erkannten Verkürzung der Verjährungsfrist von Schadenersatzansprüchen gegen Casinobetreiber durch die geplante Novelle versteht sich ohnedies von selbst. Wie ernst aber ist das Anliegen des Spielerschutzes zu nehmen, wenn die Haftung eines Casinos gegenüber zum Schadenersatz Anspruchsberechtigten auf das beim Casinobesuch eingesetzte Existenzminimum beschränkt ist? Und wie lässt sich ernst gemeinter Spielerschutz mit der Anordnung des Gesetzes in Einklang bringen, dass die Haftung des Casinos erst bei grober Fahrlässigkeit einsetzt? Diese schadenersatzrechtliche Privilegierung einer Spielbank lässt nicht erwarten, dass Spielbankbetreiber zu besonderer Sorgfalt beim Spielerschutz animiert sind.
Bereits aus verfassungsrechtlichen Überlegungen (Gleichheitsgrundsatz), aber auch im Hinblick auf die Judikatur des EuGH bleibt zu hoffen, dass die Begutachtungsphase der Glücksspielgesetz-Novelle dazu genutzt wird, haftungsrechtliche Bestimmungen des Glücksspielgesetzes zur Gänze zumindest auf den üblichen Standard des Schadenersatzrechts zu bringen, wenn nicht gar strengere Haftungsmaßstäbe für Glücksspielbetreiber – nicht nur beschränkt auf Spielbanken – zu normieren.
Eine klare und durch Maßnahmen im Vorfeld und rund um das Glücksspiel erweiterte Rechtslage könnte weitere Diskussionen um die Zulässigkeit der Beschränkung von Glücksspielangeboten in Österreich ersparen. Zum einen wären diese dann mit dem Gemeinschaftsrecht wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit kompatibel, zum anderen wäre es dann vielleicht auch gar nicht notwendig, Beschränkungen des Glücksspiels zu normieren. Wenn es klare gesetzliche Vorgaben sowie Hilfestellung für Spielsuchtkranke oder -gefährdete gibt, die ausreichend finanziell dotiert sind und wenn die Spielschutzbestimmungen auch auf deren Einhaltung kontrolliert werden, lässt sich ein „kohärentes systematisches“ System, das den Spielbetrieb in kontrollierte Bahnen lenkt, wohl nicht mehr bestreiten.
Der Gesetzgeber ist aufgefordert, seinen Entwurf in dieser Hinsicht nachzubessern. – nicht nur zur Absicherung des Gesetzes gegenüber auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Angriffen, sondern auch im Interesse der vom Glücksspiel und den damit verbundenen Gefahren Betroffenen.