Der EuGH fügte seiner Rechtsprechung zum Glücksspielrecht Mitte September zwei weitere Entscheidungen hinzu. Gegenstand der beiden Entscheidungen vom 8.9.2010 waren diesmal Fragen zur österreichischen und deutschen Rechtslage
Der Sachverhalt
Das Bezirksgericht Linz hatte Herrn Engelmann, einen deutschen Staatsbürger, der in Österreich ein Spielcasino ohne die nach dem Glücksspielgesetz erforderliche Konzession betrieb, wegen illegalen Glücksspiels zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Berufungsgericht legte dem EuGH die Frage vor, ob die österreichischen Rechtsvorschriften über die Erteilung einer Konzession und die Voraussetzungen zum Betrieb eines Spielcasinos und das österreichische Glücksspielmonopol an sich mit dem europäischen Unionsrecht vereinbar sind.
Kein Inländervorbehalt
Der europäische Gerichtshof entschied am 9.9.2010, dass es mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist, dass der Betrieb von Glücksspielen in Spielbanken ausschließlich Aktiengesellschaften mit Sitz in Österreich vorbehalten ist. Nach der Judikatur des EuGH muss es auch Unternehmern mit Sitz in der EU oder im EWR erlaubt sein, Spielbanken in Österreich zu betreiben. Dem österreichischen Gesetzgeber ist es aber gestattet, auch ausländische Spielbankenbetreiber, die in Österreich tätig werden, einer Kontrolle durch österreichische Behörden zu unterwerfen.
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des EuGH war die verfahrensgegenständliche Bestimmung im Glücksspielgesetz aber ohnedies nicht mehr Teil der österreichischen Rechtsordnung. Nach der im Sommer 2010 erfolgten Novellierung des Glücksspielgesetzes darf sich jedes Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) um eine Kasinokonzession in Österreich bewerben. Das nach wie vor im Glücksspielgesetz enthaltene Erfordernis, dass der Betreiber nach erhaltener Zulassung seinen Sitz nach Österreich verlegen muss, dürfte aber nicht mehr aufrecht zu erhalten sein. Ein kategorischer Ausschluss von Unternehmen, die ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten haben, wird nämlich vom EuGH als unzulässig angesehen.
Glücksspielkonzessionen müssen ausgeschrieben werden
Der EuGH erachtete auch die im Glücksspielgesetz bis zur Novellierung im vergangenen Juli enthaltene Vergabe von Zulassungen von Konzessionen für Casinos für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar. Der EuGH verlangt zumindest, „ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Vorhinein bekannten Kriterien“, damit die Entscheidung der Behörden über die Erteilung einer Konzession für den Betrieb eines Casinos „zum Schutz vor willkürlichen Entscheidungen hinreichende Grenzen gesetzt werden“. Jede Entscheidung über die Vergabe einer Kasinokonzession muss darüber hinaus im Rechtsweg bekämpfbar sein. Auch diesem Erfordernis hat der Gesetzgeber bei der jüngsten Novellierung des Glücksspielgesetzes zum Teil schon Rechnung getragen, im Gesetz heißt es nämlich, dass die Konzessionserteilung „nach vorheriger öffentlicher und transparenter Interessentensuche durch den Finanzminister“ erfolgen soll. Dass dazu eine Bekanntmachung mit Aufruf an Interessenten, sich um eine Konzession nach dem GSpG zu bewerben, im Amtsblatt zur Wiener Zeitung ausreicht, hat der VwGH bereits im Jahr 2005 entschieden.
Die dritte Frage des Landesgerichts Linz, ob ein nationales Glücksspielmonopol mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn die konzessionierten Veranstalter ihre Angebote bewerben, beantwortete der EuGH nicht mehr, weil er schon in der Beantwortung der ersten beiden Fragen festhielt, dass die österreichische Glücksspielrechtslage zum Zeitpunkt der Verurteilung des konzessionslosen Casinobetreibers mit dem Unionsrecht nicht vereinbar war.
Monopole für Glücksspiele zulässig
Dass ein Glücksspielmonopols grundsätzlich zulässig ist, hatte der EuGH bereits in früheren Urteilen immer wieder ausgeführt. Dass auch die Bewerbung von legalen Glücksspielangeboten (etwa eines Monopolisten) das Monopolsystem nicht unzulässig macht, ist mittlerweile ebenfalls geklärt. Fraglich kann nur noch die Art der Ausgestaltung des Glücksspielmonopols sein. Wenn die Nachfrage nach Glücksspielen durch die Werbung des Konzessionärs nicht übermäßig belebt wird, sie also die Glücksspieler nur auf legale Glücksspielangebote aufmerksam machen will, ohne gleichzeitig übermäßig zum Spielen anzuregen, ist ein Monopolsystem oder ein System mit Ausschließlichkeitsrecht für bestimmte Betreiber für den EuGH durchaus mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Dies zu prüfen ist nach dem EuGH Sache der nationalen Gerichte.
Für den österreichischen Verwaltungsgerichtshof stellte sich das österreichische Glücksspielmonopol bereits im November 2009 (gestützt auf die damals vorliegende Judikatur des EuGH), als“weder diskriminierend, noch unverhältnismäßig“ und „geeignet, die Verwirklichung der Kontrolle über den Spielbetrieb im Interesse des Einzelnen und der Gemeinschaft in geordnete Bahnen zu lenken“ dar. Der VwGH erkannte explizit „keine Bedenken“ im Hinblick auf das Unionsrecht.
Damit ist die Frage der Vereinbarkeit des österreichischen Glücksspielrechts und des österreichischen Glücksspielmonopols im Besonderen mit europäischem Unionsrecht durch ein österreichisches Höchstgericht geklärt, die Diskussion sollte damit beendet sein. Der VwGH befindet, dass das österreichische Glücksspielmonopol die Ziele des Verbraucherschutzes und des öffentlichen Interesses an der Vermeidung von Gelegenheiten zum Betrug und zur Verhinderung der Gefahren die durch Glücksspiele mit sich gebracht werden können, – in der Terminologie des EuGH – in kohärenter und systematischer Weise verfolgt.
Deutschland
Anders ist die Rechtslage in Deutschland. In einem am 8.9.2010 veröffentlichten Urteil zur deutschen Glücksspielrechtslage hielt der EuGH erneut fest, dass dann, wenn die Werbung eines zugelassenen Glücksspielveranstalters über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Verbraucher zum Angebot des Monopolinhabers hinzulenken, und darauf abzielten, den Spieltrieb zu fördern und Einnahmen aus dem Glücksspiel zu maximieren und andere Glücksspiele, die nicht unter ein staatliches Monopol fallen, bestehen, die höheres Suchtpotential und somit höhere Gefahren aufweisen, berechtigter Anlass zur Annahme der Unvereinbarkeit eines solchen Monopols mit dem Unionsrecht vorliegt.
Ob diese Annahme auch für Österreich zutrifft oder nicht, ist Spekulation und lässt sich wohl trefflich diskutieren bzw. abwägen. Durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 4.11.2009 ist diese Diskussion jedoch zumindest bis zu einer weiteren höchstgerichtlichen Entscheidung nicht zielführend. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist es- wie schon ausgeführt – Aufgabe des vorlegenden Gerichts des Mitgliedstaats, die jeweilige nationale Rechtslage am Maßstab der Vorgaben des EuGH zu prüfen. Genau das hat der VwGH bereits getan.
Gegen die unreflektierte Übertragung der Ausführungen des EuGH zum deutschen Glücksspielrecht auf die Rechtslage in Österreich spricht auch, dass Sportwetten in Deutschland anders als in Österreich im Regelfall nur von staatlichen Monopolgesellschaftern betrieben werden dürfen und auch für Automatenspiele Ausnahmen bestehen, sowie ein unterschiedlicher Maßstab an verschiedenen Arten von Glücksspielen im Hinblick auf die Werbung angelegt wird. Dies lässt sich in Österreich jedenfalls nach In-Kraft-Treten der jüngsten Novellen zum Glücksspielgesetz nicht behaupten. Insoweit ist also keineswegs gewiss, dass das österreichische Glücksspielmonopol ebenso wie die deutsche Rechtslage mit dem Unionsrecht unvereinbar wäre.
Abzuwarten bleibt, ob der EuGH in den noch anhängigen österreichischen Vorlageverfahren doch auch zur Frage der Kohärenz und Systematik der österreichischen Glücksspielrechtslage im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines Monopols mit der gleichzeitigen Möglichkeit, für die Monopolspiele zu werben, Stellung nimmt. Bis dahin ist jedoch innerstaatlich die höchstgerichtliche Judikatur (die derzeit nur vom VwGH vorliegt) der zu beachtende Maßstab.
Siehe dazu auch:
Glücksspielgesetz – neue Erkenntnisse basierend auf den aktuellen EuGH Entscheidungen
Einladung zur Pressekonferenz der Firma Catrox
pdf Dokument, 304 KB
Kommentar Redaktion Spieler-Info.at
Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht…