Das Bundesministerium für Finanzen veranstaltete unter der Schirmherrschaft von Dr. Doris Kohl, Leiter der Stabsstelle für Suchtprävention, eine Fachtagung zum Thema Glücksspielsucht. Dabei wurden die aktuellen Entwicklungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz präsentiert.
[[image2]]Die Glücksspielgesetz-Novelle 2010 war zäh, dauerte lange und ist unter großem Einsatz des ehemaligen Staatssekretärs Reinhold Lopatka und vorangestellt Franz-Philipp Sutter gut geworden, lobte Sektionschef Dr. Wolfgang Nolz in seinen einleitenden Worten zur Eröffnung der Tagung.
Mit diesem Meilenstein hat Österreich im europäischen Vergleich eine Vorreiterrolle beim Spielerschutz übernommen, die auch mit Schaffung der Stabstelle zur Suchtberatung und Suchtprävention im BMF – finanziert durch einen fixen Beitrag aus den Einnahmen der Glücksspielindustrie – ihren Niederschlag fand. Ein Ländervergleich der Spielerschutz- und Präventionsmaßnahmen in Österreich, Deutschland und der Schweiz gab einen Überblick und sollte die Anwendung und Wirksamkeit einzelner erfolgreicher Maßnahmen in einer Jurisdiktion auf eine andere im Rahmen der Podiumsdiskussion mit allen Vortragenden zum Thema machen.
Glücksspielsucht und andere Abhängigkeiten
Laut Prof. Herwig Scholz von der Spielsuchtambulanz De La Tour in Villach liegt die Schwierigkeit in der Problemwahrnehmung. Fehlmeinungen und falsche Klischees dominieren. Sein Rat: Die öffentliche Wahrnehmung nicht so sehr beachten, sondern wissenschaftlich betrachten. Leider ist es immer noch so, dass pathologisches Spielen zu wenig im Bewusstsein der Ärzteschaft verankert ist und nicht als Krankheit, sondern als schlechter Charakter eingestuft wird. 98 % der Spieler zeigen ein völlig normales Spielverhalten, 2 % sind pathologisch und trotz bereits vorhandener ökonomischer Probleme wird Glücksspiel zum zentralen Lebensinhalt. Diese Personen weisen ein hohes Maß an zusätzlichen Abhängigkeiten auf, wie etwa Alkohol, Drogen, Medikamente und haben oft eine Vorgeschichte an kriminellen Delikten.
Scholz forderte Jugendschutz auch bei Sportwetten, eine Registrierung der Teilnehmer und einen Verstärkung des Online Schutzes.
Totales Verbot bringt mehr Schaden als Nutzen
[[image1]]Die Österreichische Studie zur Prävention der Glücksspielsucht wurde von Dr. Jens Kalke präsentiert. Basis der von den Österreichischen Lotterien finanzierten Studie waren Befragungen im Umfeld der Lotto-Toto Annahmestellen, den Glücksspielbetrieben der Casinos Austria und WinWin Spielhallen. Ob die Studie damit als repräsentativ angesehen werden kann, steht auf einem anderen Blatt.Krenke meint, man könne den Schutz der Spieler erhöhen, indem man Automaten zurückbaut, die Spieldauer erhöht und niedrigere Limits einzieht. Die Frage, ob die Prävalenzen ein totales Verbot des Glücksspiels bzw. von Glücksspielautomaten rechtfertigen, beantwortet Krenke mit einem klaren Nein. Der Schaden wäre größer als der Nutzen.
Dass ein Verbot nicht gleichzeitig alle Probleme aus dem Weg schafft, zeigt das Modell der Schweiz, vorgestellt von Kilian Künzi, wo Automaten außerhalb von Casinos seit 2005 verboten sind. Auch bei den Eidgenossen kommt illegales Automatenspiel immer noch vor.
Wie die deutsche PAGE Studie zeigt, ist der Anteil der pathologischen Spieler männlich, jung, erwerbslos, verfügt über eine geringe Schulbildung und kommt zumeist aus einem Migrationshintergrund. Die Schuld also alleine bei Glücksspielanbietern zu orten, ist klar verfehlt. Die Politik ist hier in vielerlei Hinsicht gefordert.
Neue Studie ortet Gefahren vor allem in Casinos und beim Online Spiel
Zu einem interessanten Ergebnis kamen übrigens die bei der Tagung nicht anwesenden Bonner Ökonomie-Professoren Franz W. Peren und Reiner Clement vom Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten in Bonn heraus. Nach Lotto und Lotterien ist das gewerbliche Automatenspiel die am wenigsten problematische Spielform. Das Glücksspiel in den staatlichen Spielbanken ist im Vergleich zum gewerblichen Automatenspiel rund dreimal so problematisch, Online-Glücksspiele sogar neunmal.
Die bisherige Spielsuchtforschung ging davon aus, dass Spielen an Geldspielgeräten in Gast- und Spielstätten die größten Probleme mit sich bringt. „Wir konnten zweifelsfrei nachweisen, dass dies ein Trugschluss ist“, erläutert Peren, Sprecher des Bonner Forschungsteams. Die Tatsache, dass bei den pathologischen Spielern der Anteil derjenigen, die auch an Geldspielgeräten spielen, im Vergleich zu anderen Spielangeboten je nach Studie mit 30 bis 50 % am größten sei, verleite zu dem Schluss, das Spiel am Geldspielgerät sei problematischer als andere Spielformen. Setze man jedoch den finanziellen Spielaufwand in Beziehung zum Anteil der krankhaften Spieler, ergebe sich ein völlig anderes Bild. „Das Ergebnis“, so Professor Peren, „ist eindeutig“.
Der Pathologie-Potenzial-Koeffizient zeigt erstmalig verlässliche Kennziffern, mit denen sich die gesellschaftliche Belastung durch verschiedene Glücksspielangebote messen lässt“, erläutert Peren. Bisherige Gefährdungsvermutungen, die mehr auf vorurteilshaften Plausibilitätserwägungen als auf wissenschaftlich fundierten Daten basierten, seien damit nicht mehr haltbar. Es seien weniger Lotto und das gewerbliche Automatenspiel, als vielmehr die Angebote der staatlichen Spielbanken und die Online-Spiele in den Fokus zu stellen.
Leider waren die Ersteller dieser Studie bei der Fachtagung nicht anwesend, wir hätten sicher eine spannende, hitzige Diskussion erlebt.