Am Freitag vor Weihnachten veröffentlichte das US-Justizministerium ein Rechtsgutachten, in dem es zu dem Ergebnis gelangte, dass der Interstate Wire Act von 1961 Wetten auf Sportveranstaltungen und Sportwettbewerbe umfasst. Einige Betreiber von Online-Poker und anderen Online-Glücksspielen feiern diesen Schritt als Durchbruch zur Legalisierung ihres Angebots – zu Recht?
Was regelt der Wire Act?
Der Interstate Wire Act von 1961 verbietet als US-Bundesgesetz die Vermittlung bestimmter Wetten und Einsätze über Kabelverbindungen (z.B. via Telefon oder Internet) über die Grenzen einzelner US-Bundesstaaten hinaus. Dadurch soll verhindert werden, dass sich Angebote aus Bundesstaaten, in denen solche Wetten und Einsätze zulässig sind, an Personen in Bundesstaaten richten, in denen solche Wetten und Einsätze nicht erlaubt sind. Der Wire Act besagt ausdrücklich, dass „die Platzierung von Wetten oder Einsätzen auf jedes Sportereignis oder jeden Wettbewerb“ illegal ist.
Lange Zeit hindurch vertrat das US-Justizministerium die Ansicht, dass der Wire Act uneingeschränkt wohl jede Form von grenzüberschreitendem Glücksspiel umfasse. Dagegen formierten sich jedoch insbesondere Interessenvertreter der boomenden Branche des Online-Glücksspiels und zweifelten an, dass dieses umfassende Verständnis richtig sei.
Nun analysierte eine Abteilung des US-Justizministeriums (Department of Justice, DOJ) unter Leitung des stellvertretenden Generalanwalts James Cole den Wire Act im Hinblick auf dessen grundsätzliche Zielsetzung – und kam zu dem Ergebnis, dass der Wire Act nicht jede Form des Online Glücksspiels erfasst, sondern ausschließlich Sportwetten.
Die Stellungnahme des US-Justizministeriums
Der nunmehr vorliegenden Stellungnahme des DOJ gingen die Anfragen der Bundesstaaten New York und Illinois voraus, die den Online-Verkauf von Lotterielosen an Personen innerhalb der jeweiligen Bundesstaatengrenzen nach den dortigen Gesetzen gestatten wollten. Da die Datenströme dabei jedoch auch über Server in anderen Bundestaaten verlaufen, stellte sich für die Bundesstaaten New York und Illinois die Frage, ob dies einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Wire Act darstellt.
Das DOJ unterzog die maßgeblichen Bestimmungen des Wire Acts einer genauen Untersuchung, um zu klären, ob der Wire Act sachlich nur auf Sportwetten anwendbar ist, oder auf jede Form von Glücksspiel. Im Rahmen der vorgenommenen Wortinterpretation sowie der historischen und systematischen Auslegung des Gesetzestexts kam das DOJ zu dem klaren Ergebnis, dass „die zwischenstaatliche Übermittlung von kabelgebundenen Informationen, die sich nicht auf ein ‚Sportereignis oder einen Wettbewerb‘ beziehen, vom Wire Act auch nicht betroffen sind.“
Was bedeutet das für die Zukunft des Online-Pokers in den USA?
Die Freudenrufe der Anbieter von Online-Poker und anderen Online-Glücksspielen waren nach Publikation der Stellungnahme des DOJ laut. Nach deren Ansicht ergebe sich aus der vorliegenden Stellungnahme des DOJ jedenfalls, dass, zumindest nach Maßgabe des insofern nicht anwendbaren Wire Act, Online-Poker genau wie andere Arten des Online-Glücksspiels zwischenstaatlich betrieben werden dürfen, sofern diese Glücksspielangebote in jenem Bundesstaat, in dem die Einsätze getätigt werden, legalisiert sei.
Diese Vorfreude scheint übereilt. Es ist nochmals in Erinnerung zu rufen, dass das DOJ lediglich festgehalten hat, dass der Wire Act ausschließlich auf „Sportereignisse“ oder „Wettbewerbe“ anwendbar ist. Was unter einem „Sportereignis“ bzw. einem „Wettbewerb“ zu verstehen ist, hat das DOJ jedoch gerade offen gelassen.
Dass es für ein „Sportereignis“ vor allem auf die Geschicklichkeit und das Können der Akteure ankommt, steht außer Zweifel. Doch auch bei Poker kommt es, anders als etwa bei der Teilnahme an Lotterien, nicht ausschließlich auf das Glück der Spieler an. Mathematische Fähigkeiten, spieltheoretische Kenntnisse und die Analyse der Spielweise der Gegner können Siegchancen bei Poker und Online-Poker erhöhen. Während Poker daher einerseits als Glückspiel anzusehen ist, bedeutet dies im Umkehrschluss nicht zwingend, dass es sich bei Poker keinesfalls um ein „Sportereignis“ im Sinn des Wire Act handeln kann. Wenn jedoch Poker als „Sportereignis“ zu qualifizieren ist, dann bleibt der Wire Act auf Online-Poker gerade doch anwendbar.
Schließlich ist insbesondere das Abhalten großer Pokerturniere mit hunderten Teilnehmern wohl geradezu prädestiniert, um als „Sportereignis“ im Sinn des Wire Act eingestuft zu werden.
Die vorliegende Stellungnahme des DOJ ist im Zusammenhang mit Lotterien ergangen und dass es sich bei Lotterien nicht um „Sportereignisse“ handelt, liegt auf der Hand. Bei Poker bzw. Online-Poker scheint dies jedoch keinesfalls so klar. Bis zur Klärung dieser offenen Fragen sollten die Freudenrufe der Anbieter von Online-Poker und anderen Glücksspielen daher verhaltener ausfallen. Vielleicht kommen aber auch die Gerichte dem DOJ zuvor. Der Staat Nevada ist Vorreiter beim Online-Poker, es ist zu erwarten, dass die ersten Pokerseiten bereits 2012 innerhalb der Staatsgrenzen den Betrieb aufnehmen können. Diesem Angebot könnten Klagen folgen und dann würde es an den Gerichten liegen, zu klären, ob Angebote von Online-Poker als „Sportereignisse“ bzw. „Wettbewerbe“ im Sinn des Wire Acts einzustufen sind.
Schließlich ist auch noch abzuwarten, wie sich die vorliegende Entscheidung des DOJ mit den Vorgaben des „Ulawful Internet Gambling Enforcement Act“ aus dem Jahr 2006 und dem „Illegal Gambling Business Act“ vereinbaren lässt.
Tatsächlich ist mit der vorliegenden Entscheidung des DOJ zum Wire Act lediglich ein neues Blatt ausgeteilt, der große Showdown zur Frage der Zulässigkeit von Online-Poker in den USA steht indes weiterhin aus.