Laut der aktuellen Onlinemeldung von SPIEGEL Online, soll ein neues Gesetz wenigstens für Sportwetten legale Angebote schaffen – kann das gelingen?
Wer in Deutschland online wettet, tut das meist illegal.
Als Tobias K. wieder spielen will, reicht dafür eine Unterschrift. Ob er noch süchtig danach sei? Nein, natürlich nicht, Kürzel drunter, weiterwetten. K. hat das schon einmal durch: Online Sportwetten platzieren, erst noch für 100 Euro, dann für 500, später für 1000 Euro als Standardeinsatz. Die große Liebe und die Wohnung verlieren, Schulden von 28.000 Euro innerhalb eines halben Jahres anhäufen.
Doch dann gewann er – mit einer Wette schuldenfrei. K. eroberte Freundin und Wohnung zurück, machte eine Therapie, ließ sich auf die Sperrlisten aller ihm bekannten Wettanbieter setzen. Ein Jahr später der Rückfall: „Ich brauchte nur das Papier unterschreiben, dann haben sie meinen Account wieder entsperrt“, sagt K. „Das darf doch nicht sein!“ Was läuft da schief?
Der aktuellen Gesetzgebung zufolge ist schon die Existenz der Sperrliste selbst eine Großzügigkeit des Anbieters – denn die Bundesländer sind bislang an einer deutschlandweiten Regulierung des Online-Glücksspielmarkts gescheitert. Bis auf den staatlichen Wettanbieter Oddset und die staatlichen Lotterien sind die Angebote illegal, aber geduldet. Das heißt: Es gibt keine verpflichtenden Vorgaben zum Spielerschutz, Steuern zahlen nur die Sportwettanbieter – fünf Cent pro gesetztem Euro.
Der Kieler Sonderweg
Legale Angebote gab es nur in Schleswig-Holstein: 2011 brachten die Länder ein Glücksspielgesetz auf den Weg, das Sportwetten begrenzt erlauben sollte, Onlinecasinos aber verbietet. Die schwarz-gelbe Landesregierung in Kiel lehnte das Verbot ab, schuf ein eigenes Gesetz und vergab entsprechende Lizenzen.
Nach einem Regierungswechsel trat das Land 2013 doch noch dem aktuellen Glücksspielgesetz bei. Die erteilten Lizenzen für Onlinecasinos und Sportwetten galten trotzdem sechs Jahre lang, vor fünf Wochen lief die letzte aus. Mit einer Übergangsregelung erlaubt die Landesregierung nun noch acht der ursprünglich 25 lizenzierten Firmen, Sportwetten anzubieten.
Der Kieler Sonderweg gilt jedoch nur im Land selbst. Im Rest Deutschlands verweisen die Anbieter auf Lizenzen aus Steueroasen wie Malta, Gibraltar oder der Isle of Man. „Mir war nicht bewusst, dass ich illegal spiele“, sagt K. Für den Verbraucher auf der Website ist der Unterschied nicht sichtbar.
Legales Spiel ist kaum möglich
Für die Anbieter lohnt sich das Onlinegeschäft: Die Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim schätzt den Umsatz von illegalen Sportwetten auf etwa sieben Milliarden Euro im Jahr, den von unerlaubten Onlinecasinos und Lotterien sogar auf mehr als 50 Milliarden Euro. Rund 83 Prozent des Markts operieren den Forschern zufolge in der geduldeten Illegalität. Der Leiter der Forschungsstelle, Professor Tilman Becker, sagt: „Deutschland ist ein Paradies für illegales Glücksspiel.“
Selbst wenn die Anbieter von Casinospielen und Sportwetten legal werden wollten, hätten sie aktuell keine Möglichkeit dazu. Mehrere Anläufe, die Bereiche zu regulieren und damit zu legalisieren, sind gescheitert:
- In der ersten Reform des Glücksspielstaatsvertrags einigten sich die Länder 2012 auf eine Experimentierphase für Sportwetten. 20 private Anbieter sollten für sieben Jahre eine Lizenz erhalten. Fast 80 Anbieter bewarben sich bei der europaweiten Ausschreibung, nach einer Vorauswahl blieben noch 35 übrig. Aber nachdem die endgültige Liste feststand, klagten Mitbewerber wegen der intransparenten Auswahl. Die Lizenzvergabe scheiterte.
- Mit Beginn des Jahres 2018 sollte eine zweite Reform des Glücksspielgesetzes in Kraft treten, mit der die Begrenzung auf 20 Sportwettlizenzen wegfallen sollte – doch auch daraus wurde nichts. Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verweigerten die Ratifizierung, weil die Reform die Onlinecasinos ignorierte.
Ein rechtlich legales Angebot ist damit nicht möglich. Der Europäische Gerichtshof hat für solche Fälle entschieden, dass die Betreiber für ihre Tätigkeiten auch nicht bestraft werden dürfen.
Länder wollen Sportwetten legalisieren
Auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 21. März wollen die Länder nun einen Minimalkonsens für Sportwetten beschließen – vorausgesetzt, niemand springt ab. Demnach sollen alle Anbieter, die sich an grundlegende Regeln des Spieler- und Jugendschutzes halten, vom 1. Januar 2020 eine Genehmigung erhalten.
So sollen Minderjährige am Spielen gehindert werden; auch der Spieleinsatz dürfte maximal 1000 Euro im Monat betragen. Livewetten, etwa auf das nächste Tor oder den Gewinner der ersten Halbzeit im Fußball, würden verboten.
Auch dürften Sportwettenanbieter nicht mehr auf Casinospiele weiterleiten. Die sind bei großen Anbietern wie Tipico.de und Bet-at-Home.com bisher nicht zu übersehen. Ob die Anbieter auf diesen wichtigen Teil ihres Geschäfts verzichten werden, ist fraglich.
Bis 2021 müssen Länder über Onlinecasinos entscheiden
So bietet Bwin die Spiele auf dem schleswig-holsteinischen Ableger seiner Website weiter an – obwohl die vom Land vergebene Lizenz für Onlinecasinospiele ausgelaufen ist. Bwin bekommt dafür Rückendeckung aus dem Innenministerium in Kiel: Das erklärt auf Nachfrage, das Angebot würde im Sinne des „Wählerwillens“ toleriert – denn die Landesregierung plane eine Gesetzesinitiative, um die ausgelaufenen Lizenzen für Onlinecasinos zu verlängern.
Forscher Becker sieht das kritisch. Er fordert: „Die Länder sollten endlich eine bundesweite Glücksspielkommission einrichten, die für die Kontrolle des Markts ausreichend ausgestattet ist, bevor sie über die Vergabe von Lizenzen nachdenken.“ Alles andere sei lediglich eine offizielle Duldung des illegalen Angebots. So auch die geplante Regelung für Sportwetten.
Die würde ohnehin nur bis Ende Juni 2021 gelten – dann läuft der Glücksspielstaatsvertrag aus. Bis dahin müssen die Länder sich nicht nur auf die Regulierung von Sportwetten und Lotterien einigen, sondern auch über die Zukunft der Onlinecasinos entscheiden. Die Verhandlungen haben begonnen.
Zusammengefasst: Die Glücksspielbranche ist seit Jahren unreguliert – weil die Bundesländer sich nicht einigen können. Deshalb boomt der Internetmarkt für illegale Casinospiele und unerlaubte Sportwetten. Die Länder beraten derzeit über einen Minimalkonsens: Jeder Anbieter, der sich an grundlegende Regeln zum Spielerschutz hält, soll legalisiert werden. Das ist umstritten.
Quelle:
- Wie der Staat den Glücksspielboom begünstigt, spiegel.de, 17.03.2019