Spieler-Info.at hat die renommierte Kanzlei B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH um deren Expertise zu diesem für Juristen und Glücksspielexperten nicht nachvollziehbarem Urteil ersucht.
Lesen Sie bitte hier die Expertise der B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH:
- Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG OÖ) hat in einem neuen Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Strafbarkeit (des Veranstaltens, Organisierens oder des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen) nach § 52 Abs. 1 Z. 1 iVm § 2 Abs. 4 GSpG (Glücksspielgesetz) nur dann eintreten solle, wenn bei der bewilligungslosen Ausspielung die in § 5 Abs. 5 GSpG normierten Wertgrenzen überschritten wurden. Das Fehlen entsprechender behördlicher Tatsachenfeststellungen zur Höhe der möglichen Einsätze und Gewinne führe dazu, dass nicht von einer Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG ausgegangen werden könne, selbst wenn sowohl eine bundesrechtliche als auch eine landesrechtliche Bewilligung für die gegenständlichen Ausspielungen fehlen.
- Dieses Erkenntnis widerspricht nicht nur der ständigen Rechtsprechung, sondern steht auch im auffallenden Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des LVwG OÖ. Das LVwG OÖ hat alleine in den letzten Monaten – auf Basis der identen Gesetzeslage – in dutzenden gleichgelagerten Fällen erstinstanzliche Straferkenntnisse nach § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG ausdrücklich bestätigt. Gegenstand dieser erstinstanzlichen Straferkenntnisse waren ebenfalls Glücksspielgeräte, für die weder eine (bundesrechtliche) Konzession nach den Bestimmungen des GSpG noch eine (landesrechtliche) Bewilligung als sogenannte „Landesausspielung“ gemäß § 5 GSpG vorlagen. Angesichts der seit Jahren bestehenden gefestigten Rechtsprechung – sowohl der Verwaltungsgerichte der Länder als auch des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) – zu dieser Thematik ist dieses Erkenntnis des LVwG OÖ rechtlich nicht nachvollziehbar.
- Das LVwG OÖ begründet sein Erkenntnis einerseits mit dem historischen Werdegang des GSpG bzw. der Regelung des sogenannten „kleinen Glücksspiels“ vor der GSpG-Novelle 2010, wobei es das GSpG 1962 als Ausgangspunkt seiner Überlegungen heranzieht, sowie andererseits mit der Möglichkeit der Übertretung landesrechtlicher Vorschriften (wie des Oberösterreichischen Glücksspielautomatengesetzes – OöGSpAG). Beide Argumentationsstränge sind jedoch grundlegend verfehlt, wie in der Folge näher dargelegt wird.
- Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in seinem Erkenntnis vom 12.03.2015 zu GZ G 205/2014 festgehalten hat, wurde die Abgrenzung (zwischen dem Glücksspiel, das in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist, und dem sogenannten „kleinen Glücksspiel“, das vom Bundesgesetzgeber dem Regelungsbereich der Bundesländer überlassen wurde,) nach Wertgrenzen im Zuge der GSpG-Novelle 2010 explizit aufgegeben. Bei der Erlassung der GSpG-Novelle 2010 stützte sich der Bundesgesetzgeber auf den Kompetenztatbestand „Monopolwesen“ des Art. 10 Abs. 1 Z. 4 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz). In Ausübung dieser Kompetenz ist der einfache Bundesgesetzgeber berechtigt, das Glücksspielmonopol des Bundes abzugrenzen. Dem Bundesgesetzgeber kommt dementsprechend die „Kompetenz-Kompetenz“ im Bereich des Glücksspielmonopols zu, das heißt der Bundesgesetzgeber kann den Umfang des Glücksspielmonopols (des Bundes) bestimmen. Mit der GSpG-Novelle 2010 hat der Bundesgesetzgeber das Glücksspielmonopol des Bundes neu abgegrenzt und ist dabei bewusst vom bisherigen System eines Abstellens auf bloße Wertgrenzen abgegangen, sodass die vormaligen Regelungen des „kleinen Glücksspiels“ gerade nicht als Interpretationsmaßstab für die aktuelle Gesetzeslage geeignet sind. Wie sich den Gesetzesmaterialien – insbesondere der Regierungsvorlage (RV 657 BlgNR 24 GP 5) – entnehmen lässt, erfolgte dieser Systemwechsel insbesondere dazu, um künftig mehr Rechtssicherheit zu gewährleisten als dies beim alten System der reinen Wertgrenzen der Fall war.
- Gemäß § 3 GSpG ist die Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten, soweit nicht im GSpG eine explizite Ausnahme normiert ist. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 GSpG handelt es sich um ein Glücksspiel, wenn bei einem Spiel die Entscheidung über Gewinn und Verlust (Entscheidung über das Spielergebnis) ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt. Unter Zufall im Sinne des GSpG ist zu verstehen, dass der Erfolg des Spielers nicht von seinen persönlichen Fähigkeiten, wie z.B. von seiner Geschicklichkeit, seinem Können, seinem Wissen, seiner Schnelligkeit usw. abhängt, sondern von Bedingungen, die außerhalb des Einflussbereiches der beteiligten Person liegen (VwGH 18.12.1995, Zl 95/16/0047 u.a.). Ist das Spielergebnis zumindest zu 50% vom Zufall abhängig, so ist das Tatbestandsmerkmal „vorwiegend vom Zufall abhängig“ nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) bereits erfüllt und liegt somit ein Glücksspiel im Sinne des GSpG vor (vgl. VwGH 18.12.1995, Zl 95/16/0047 u.v.a.). Neben den ausdrücklich in § 1 Abs. 2 GSpG aufgezählten Spielen trifft diese Voraussetzung insbesondere auf die gängigen Formen von Glücksspielgeräten (virtuelles Walzenspiel, elektronisches Glücksrad, elektronisches Roulette usw.) zu. Der VwGH hat hierzu in seinem Erkenntnis vom 27.09.2019 zu GZ Ra 2019/02/0079 jüngst neuerlich Folgendes festgehalten: „Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind virtuelle Walzenspiele als Glücksspiele zu qualifizieren (vgl. z.B. VwGH 21.12.2012, 2012/17/0417)“.
- Sofern weder eine Konzession noch eine Ausnahme vom Glücksspielmonopol des Bundes vorliegen, handelt es sich gemäß § 2 Abs. 4 GSpG um verbotene Ausspielungen. Konzessionäre des Bundes im Rahmen des Glücksspielmonopols sind in Österreich ausschließlich die Österreichische Lotterien GmbH und die Casinos Austria AG.
- § 4 GSpG normiert mehrere Ausnahmen aus dem Glücksspielmonopol des Bundes. Für Glücksspielautomaten kommen zwei Ausnahmen in Betracht. Zum einen sind dies gemäß Abs. 3 – in der Praxis wenig relevante – reine (geringwertige) Warenausspielungen bei Schaustellergeschäften („Jahrmarktspiele“) und zum anderen eben gemäß Abs. 2 „Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten nach Maßgabe des § 5“. § 5 GSpG sieht eine Möglichkeit für den jeweiligen Landesgesetzgeber vor, Bewilligungen für Glücksspielautomaten in Automatensalons und/oder in Einzelaufstellung bei Vorliegen der in § 5 GSpG genannten Voraussetzungen zu erteilen. Dies bedeutet aber nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung (VwGH 15.09.2011, 2011/17/0109 ua) nur, dass Geräte, die sämtliche ordnungspolitische Anforderungen gemäß § 5 GSpG erfüllen, potentiell vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen sein können. Es besteht jedoch keine Verpflichtung der einzelnen Bundesländer, „Landesausspielungen“ vorzusehen und einem Bewilligungswerber tatsächlich zu ermöglichen (VwGH 24.04.2015, 2013/17/0798). Das Fehlen einer solchen Möglichkeit bedeutet, – auf Grund des nunmehr gegebenen Zusammenspiels zwischen Bundes- und Landesrechtsordnung – dass eine Tätigkeit, die potenziell vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen sein könnte aber tatsächlich nicht ausgenommen wurde, nach wie vor diesem Monopol unterliegt (VwGH 15.09.2011, 2011/17/0109).
- Eine Ausspielung bzw. ein Glücksspielautomat ist somit eindeutig nur dann vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen und keine verbotene Ausspielung mehr, wenn einerseits sämtliche ordnungspolitischen Mindestanforderungen des § 5 GSpG nachweislich erfüllt sind und wenn zusätzlich tatsächlich eine Bewilligung durch den jeweiligen Landesgesetzgeber erteilt wurde. Auch mit einer bloßen Anmeldung eines Glücksspielgerätes nach landesgesetzlichen Vorschriften ist nicht auszuschließen, dass mit diesem Gerät gegen das Glücksspielgesetz verstoßen werden kann. Wie der VwGH ausgesprochen hat, besagt der Umstand, dass ein Gerät als nach landesgesetzlichen Vorschriften angemeldet wird, noch nicht, dass mit diesem Gerät nicht auch in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen werden kann (vgl. VwGH 30.5.2018, Ra 2018/09/0043; VwGH 27.06.2018, Ra 2018/09/0041).
- Auf der Homepage des Bundesfinanzministeriums (www.bmf.gv.at) sind neben den Konzessionären auch sämtliche Ausspielbewilligte der Länder nach landesgesetzlichen Bestimmungen aufgelistet. Nur diese können „Landesausspielungen“ gemäß § 5 GSpG durchführen; entgeltmäßige Automatenglücksspiele ohne Konzession und ohne Bewilligung sind hingegen verbotene Ausspielungen gemäß § 2 Abs 4 GSpG und fallen daher unter den Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs. 1. Z. 1 GSpG.
- Abgesehen davon, dass das Fehlen einer bundesrechtlichen Konzession wie auch einer landesrechtlichen Bewilligung bereits ausreicht, dass eine Ausspielung im Sinne des GSpG – als verbotene Ausspielung – tatbestandsmäßig nach § 52 Abs. 1. Z. 1 iVm § 2 Abs. 4 GSpG ist, bleibt festzuhalten, dass § 5 GSpG nicht bloß Wertgrenzen, sondern zahlreiche ordnungspolitische Mindestanforderungen vorsieht. Nur wenn alle diese ordnungspolitischen Mindestanforderungen des § 5 GSpG, und nicht bloß die Wertgrenzen in Abs. 5. lit. a Z. 1 + 2 und lit. b Z. 1 + 2, erfüllt sind, könnte ein Glücksspielgerät für eine Landesausspielung überhaupt in Betracht kommen und potentiell vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen sein. So verlangt bspw § 5 Abs. 7 Z. 1 GSpG eine elektronischen Anbindung an die Bundesrechenzentrum GmbH und entspricht es bereits der allgemeinen Lebenserfahrung und ist es eine amts- und gerichtsbekannte Tatsache, dass Glücksspielgeräte, für die keine Konzession und auch keine Bewilligung vorliegt, nicht über diese gesetzlich zwingend geforderte elektronischen Anbindung verfügen können und somit keinesfalls eine Landesausspielung sein können und folglich keinesfalls vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen sein können. Auch daraus ist klar ersichtlich, dass nur tatsächlich als Landesausspielung bewilligte Geräte eine Landesausspielung nach § 5 GSpG – und somit nach § 4 Abs. 2 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen – sind. Angesichts des eindeutigen Gesetzestextes in § 5 GSpG ist somit nicht nachvollziehbar, warum das LVwG OÖ ausgerechnet Feststellungen zu den Wertgrenzen bei den verfahrensgegenständlichen Ausspielungen vermisst, zumal nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann, dass keinesfalls alle in § 5 GSpG normierten Mindestanforderungen erfüllt sein können und wohl auch vom Betreiber der Geräte nicht einmal behauptet worden sein dürfte, dass sämtliche in § 5 GSpG normierten Anforderungen erfüllt würden.
- Folglich knüpfen auch die landesrechtlichen Bestimmungen an das tatsächliche Vorliegen einer solchen Bewilligung an, weil ohne die Bewilligung von vornherein keine Landesausspielung vorliegt und ohnehin die Bestimmungen des GSpG, einschließlich der Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 GSpG, greifen. So sieht z.B. das OöGSpAG in seinem § 23 verschiedene Strafbestimmungen vor, die von den Bewilligungsinhabern und deren Vertragspartner begangen werden können. Nicht strafbar nach den Bestimmungen des OöGSpAG, sondern eben nach den Bestimmungen des GSpG ist das Veranstalten, Organisieren oder unternehmerisch Zugänglichmachen von konzessions- und bewilligungslosen Ausspielungen, da diese von vornherein nicht unter die Bestimmungen des OöGSpAG, sondern eben unter jene des GSpG fallen. Konkurrierende Strafbestimmungen im Bundes- und Landesrecht gibt es somit gegenständlich nicht und besteht daher von vornherein keine Gefahr einer Doppelbestrafung. Hierzu stellt auch § 1 Abs. 2 OöGSpAG klar: „Soweit durch Bestimmungen dieses Landes-gesetzes der Zuständigkeitsbereich des Bundes insbesondere in den Angelegenheiten des Glücksspielmonopols berührt wird, sind sie so auszulegen, dass sich keine über die Zuständigkeit des Landes hinausgehende rechtliche Wirkung ergibt“. Entgegen der unrichtigen Rechtsansicht des LVwG OÖ vermag daher auch das OöGSpAG nicht als Begründung für das gegenständliche Erkenntnis zu dienen, sondern sprechen dessen Bestimmungen vielmehr gegen diese Rechtsansicht des LVwG OÖ und für die gegenteilige bisherige ständige Rechtsprechung.
- Umso unverständlicher ist es, dass das LVwG OÖ – trotz der eindeutigen Rechtslage und der unzähligen gegenteiligen Judikate – auf einmal diese Rechtsansicht vertritt. Mit diesem Erkenntnis stellt sich das LVwG OÖ sogar in Widerspruch zu seinen bisherigen Entscheidungen in mehreren gleichgelagerten glücksspielrechtlichen Fällen.
- Gegen mündlich verkündete Erkenntnisse kann nicht sofort eine Revision an den VwGH erhoben werden, sondern muss zunächst die schriftliche Ausfertigung dieses Erkenntnisses explizit beantragt werden. Die Frist für den Antrag auf Ausfertigung beträgt gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) zwei Wochen. Sobald ein ausgefertigtes Erkenntnis vorliegt, ist gemäß § 50 Abs. 7 GSpG auch der Bundesminister für Finanzen (BMF) berechtigt, gegen glücksspielrechtliche Entscheidungen der Verwaltungsgerichte der Länder eine Amtsrevision an den VwGH zu erheben. Gemäß dieser Bestimmung haben die Verwaltungsgerichte der Länder Ausfertigungen glücksspielrechtlicher Entscheidungen unverzüglich dem BMF zu übermitteln. Wie oben aufgezeigt liegen gegenständlich zahlreiche Gründe für eine Revision an den VwGH vor.