Strafverfahren. Amtsvermerk der WKStA zeigt, dass Monopolist Casinos Austria schon in Entstehungsphase auf Entwurf einwirken konnte, angeblicher Novomatic-Deal mit ÖVP/FPÖ ist offenbar kein Thema mehr
So ändern sich die Betrachtungsweisen. Drei Jahre ist es nun schon her, dass in einer anonymen Anzeige ein Deal zwischen dem niederösterreichischen Novomatic-Konzern und ÖVP/FPÖ behauptet wurde. Seither ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in einem Großverfahren mit zahlreichen Beschuldigten. Auch der Ibiza-U-Ausschuss drehte sich lange um diesen ominösen Deal.
Ausgangspunkt war der Verdacht, Novomatic hätte für die Bestellung des FPÖ-nahen Managers Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos (Casag) Glücksspiellizenzen erhalten sollen und habe versucht, die Gesetzgebung zu beeinflussen.
In einem Amtsvermerk fasste die WKStA nun ihre Ermittlungen zum Thema „Gesetzesvorhaben zum IP-Blocking und Glückspiel“ zusammen. Das 35-seitige Papier liegt dem KURIER vor.
Das Résumé aus Chats, Mails und Einvernahmen zeigt allerdings nicht auf, wie der private Gaming-Konzern Novomatic lobbyiert hätte. Sondern vielmehr, wie stark der Einfluss der teilstaatlichen Casag war. De facto schrieb die immer schon politisch einflussreiche Glücksspiel- Gruppe, an der die Republik ein Drittel hält, 2017/2018 maßgeblich am geplanten neuen Glücksspielgesetz mit.
Bei neuen Gesetzen ist es durchaus üblich, dass Interessensvertretungen und Lobbyisten versuchen, zum Vorteil ihrer Klientel zu intervenieren. Aber erst wenn der Entwurf fertig ist, wird er breit zur Begutachtung ausgeschickt, und die Betroffenen bringen ihre Stellungnahmen ein.
Die Casag jedoch „konnte offensichtlich auf den Gesetzwerdungsprozess schon in der Entwurfsphase eingehend einwirken“, schreibt die WKStA in der Zusammenfassung.
„Aus Chatnachrichten sowie Emailverkehr geht hervor, dass das BMF (Finanzministerium, Anm.) mit der CASAG an der Novellierung eng zusammenarbeitete und sich wechselseitig austauschte“.
Das bestätigte der zuständige Mitarbeiter des BMF in seiner Zeugenaussage – siehe Faksimile. Man sei vom zuständigen Casag-Manager Dr. E. „lobbyiert worden“, dieser wollte einen Gesetzesentwurf weitergeleitet haben. Der Beamte sagte aus, das sei nicht üblich gewesen und er hätte den Entwurf von sich aus auch nicht weitergeleitet.
Nochmal drüberschauen
Im Juli 2017 schreibt der Beamte an Thomas Schmid, damals mächtiger Generalsekretär im Finanzministerium, Dr. E. habe gebeten, den Entwurf zum Thema IP-Blocking (Blockieren von illegal nach Österreich spielenden Online-Anbietern) „nochmals zu schicken, wenn wir ihn überarbeitet haben und ihn erst dann an das BKA (Bundeskanzleramt, Anm.) weiterzuleiten“. Er wolle mit Anwalt „nochmal drüberschauen!“
Das Bundeskanzleramt war damals noch rot. Schmid gab sein OK.
Im Entwurf enthalten ist auch der Passus, dass die Ermächtigung für die Erteilung von Spielbank-Konzessionen wieder von 15 auf 12 reduziert werden könnte. Nach dem Desaster bei der Vergabe von drei zusätzlichen Konzessionen wurden diese nie wieder ausgeschrieben.
Nach dem türkis-blauen Regierungswechsel wurde der Entwurf von 2017 laut dem Bericht der WKStA auf Betreiben der damaligen Casinos- Vorständin Bettina Glatz-Kremsner „weiterverarbeitet“, der Managerin ging es vor allem um das IP-Blocking. Der Monopolist Casag hat im Online-Gaming nur 40 Prozent Marktanteil.
Ein Monopol, das wirkungslos ist. Der Ausschluss der illegalen Anbieter hätte viel Geschäft gebracht. Profitiert hätte indirekt freilich auch die Novomatic, die einen Content-Vertrag mit den Lotterien hatte, selbst aber im Web nicht im Endkunden-Geschäft ist.
Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) bejubelt am 27. Februar 2018 in einer Aussendung den zur Begutachtung ausgeschickten Entwurf, der illegales Internet-Glücksspiel „deutlich zurückdrängt“.
Die Freude währt nur kurz. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verweigert bekanntlich sein OK, er wollte laut WKStA eine umfassende Novelle und eine Zweckwidmung der Einnahmen aus den Sportwetten. Die ÖVP habe nur das IP-Blocking machen wollen. Am 1. März zieht Schmid den Entwurf zurück.
Letztlich war das ganze Lobbying erfolglos. Bis heute gibt es kein neues Glücksspielgesetz. Für Glatz-Kremsner, die wegen falscher Beweisaussage als Beschuldigte geführt wird, sind die Chats und Mails entlastend. Sie sagte aus, nicht nach dem Grund für den Rückzug des Entwurfs nachgefragt zu haben. Im Amtsvermerk findet sich auch nichts dazu.
Quelle:
- Wie die Casinos ums Gesetz mitspielten (pdf), Kurier, 01.08.2022