Allerdings haben viele Betreiber dadurch viel Zeit zum weiteren Betrieb der illegalen Glücksspielgeräte gewonnen.
Lesen Sie den Entscheid des EuGH und die interessante Liste jener Firmen/Personen, welche in den Genuss des Zeitgewinnes aufgrund der Anfrage des Richters Dr. Alfred Grof (LVwG OÖ) an den EuGH gekommen sind:
Link: Urteil/Beschluss – EUGH
Spieler-Info.at hat die renommierte Rechtsanwaltskanzlei B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte ersucht, diesen Beschluss des EuGH zu analysieren.
Lesen Sie hier die Stellungnahme der Kanzlei :
B & S
Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH
Gußhausstraße 6
1040 Wien
Wien, am 18.6.2018
Bezugnehmend auf Ihre Anfrage vom 15.6.2018 zu der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 7.6.2018 über das Vorabentscheidungsersuchen des Herrn Richter HR Dr. Alfred Grof bzw. des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (LVwG OÖ) dürfen wir Folgendes mitteilen:
- Das LVwG OÖ hat am 16.11.2016 ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) an den EuGH gerichtet. Mit diesem Vorabentscheidungsersuchen hat das LVwG OÖ dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„Ist Art. 47 EGRC1 in Verbindung mit den Art 56 ff AEUV dahin auszulegen, dass mit diesen unionsrechtlichen Vorschriften in jenen Fallkonstellationen, in denen die Vornahme einer Kohärenzprüfung geboten ist, nationale Regelungen (wie § 86a Abs. 4 VfGG, § 38a Abs. 4 VwGG, § 87 Abs. 2 VfGG oder § 63 Abs. 1 VwGG) nicht vereinbar sind, die es – als Teil eines Gesamtsystems, das sich in der Praxis dahin auswirkt, dass Höchstgerichte keine autonome Sachverhaltsprüfung und Beweiswürdigung vornehmen sowie bei zahlreichen, in Bezug auf eine konkrete Rechtsfrage gleichartig gelagerten Fällen lediglich in einem von diesen eine singuläre Sachentscheidung treffen und davon ausgehend alle übrigen Beschwerden a limine zurückweisen – zulassen bzw. nicht zuverlässig ausschließen, dass gerichtliche (i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC) Entscheidungen – insbesondere, wenn diese in zentralen unionsrechtlichen Anliegen wie z. B. des Marktzuganges oder der Marktöffnung ergangen sind – in der Folge durch Entscheidungen von instanzenmäßig übergeordneten Institutionen, die ihrerseits nicht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC gerecht werden, ohne ein vorangegangenes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH eliminiert werden können?“
- Im Kern betrifft diese – etwas umständlich formulierte – Frage die Auslegung der Art. 56 ff AEUV im Lichte des Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Anlass für dieses Vorabentscheidungsersuchen sind die zahlreichen beim LVwG OÖ anhängigen Beschwerdeverfahren, die seitens der Betreiber diverser Gast-stätten, Kaffeehäuser, Tankstellengeschäfte etc gegen erstinstanzliche Straferkennt-nisse aufgrund des Betreibens von Glücksspielgeräten ohne behördliche Bewilligung angestrengt wurden.
- Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) stellt das Veranstalten, Organisieren oder unternehmerisch Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen vom Inland aus einen Verwaltungsstraftatbestand dar. In Gaststätten, Kaffeehäusern, Tankstellengeschäften etc, die verdächtig sind, dass in diesen Lokalen eines oder mehrere Glücksspielgeräte ohne die erforderliche behördliche Bewilligung betrieben werden, werden von der Finanzpolizei und von den Bezirksverwaltungs-behörden regelmäßig Kontrollen durchgeführt. Werden bei solchen Kontrollen illegale Glücksspielgeräte vorgefunden, werden diese beschlagnahmt und wird gegen die verantwortlichen Betreiber das Verwaltungsstrafverfahren nach § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 4 GSpG eingeleitet. Ergeht in I. Instanz ein Straferkenntnis und/oder ein Beschlagnahmebescheid, besteht die Möglichkeit einer Beschwerde an das jeweilige Landesverwaltungsgericht. Gegen Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes kann wiederum eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erhoben werden. Ein (direkter) Instanzenzug an den EuGH ist hingegen nicht vorgesehen.
- Sollte ein nationales Gericht oder eine nationale Behörde in einem konkreten Fall Zweifel an der Auslegung des Unionsrechtes haben, kann es ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH stellen und diesem die entscheidungsrelevante Frage betreffend die Auslegung des Unionsrechtes zur Vorabentscheidung vorlegen. Gemäß Art. 267 AEUV (ex-Art. 234 EGV) entscheidet der EuGH über die Auslegung der Verträge der EU sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der EU. Der EuGH hat betreffend die Fragen des Unionsrechts das Auslegungsmonopol. Soweit Unionsrecht in einem konkreten Fall zur Anwendung gelangt genießt es Anwendungsvorrang gegenüber widerstreitendem nationalen Recht.
- Betreffend das österreichische Glücksspielrecht wird von Betreibern illegaler Glücksspielgeräte immer wieder eingewendet, dass das österreichische GSpG nicht unionsrechtskonform sei. Dies wird auch in den diversen Beschwerdeverfahren vor mehreren Landesverwaltungsgerichten regelmäßig geltend gemacht. In Hinblick auf die unionsrechtlichen Bedenken wurden bereits zahlreiche Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet. Bis dato hat der EuGH in keinem einzigen Fall das aktuell in Kraft stehende österreichische GSpG für unionsrechtswidrig erklärt. Auch alle drei Höchstgerichte in Österreich, nämlich der Verwaltungsgerichtshof, der Verfassungsgerichtshof und der Oberste Gerichtshof haben sich bereits – in zahlreichen Fällen – eingehend mit dem österreichischen GSpG beschäftigt. Sowohl der VwGH am 16.3.2016 als auch der VfGH am 15.10.2016 als auch der OGH am 22.11.2016 haben die Unionsrechtskonformität und die Anwendbarkeit der Bestimmungen des österreichischen GSpG bestätigt. In der Folge sind noch zahlreiche weitere gleichlautende Gerichtsentscheidungen zur Unionsrechtskonformität und Anwendbarkeit des GSpG ergangen. Diese Frage kann somit als rechtskräftig entschieden betrachtet werden.
- In dem gegenständlichen Vorabentscheidungsverfahren ging es vor allem um ver-fahrensrechtliche Fragen. Insbesondere wurde vom LVwG OÖ aufgegriffen, dass nach österreichischem Recht die Höchstgerichte keine autonome Sachverhaltsprüfung und Beweiswürdigung vornehmen. Die Höchstgerichte sind in Österreich im Wesentlichen reine Rechtsinstanzen, jedoch keine Tatsacheninstanzen. Die Höchstgerichte beurteilen die maßgeblichen Rechtsfragen auf Basis des von den Unterinstanzen festgestellten Sachverhalts.
- Wie der EuGH in seiner Entscheidung richtig ausführt, sind für ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH in dessen Verfahrensordnung bestimmte Zulässigkeitskriterien normiert. Insbesondere muss ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 94 der Verfahrensordnung eine kurze Darstellung des Streitgegenstands und des maßgeblichen Sachverhalts, sowie eine Darstellung der Gründe, aus denen das vor-legende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung des Unionsrechts ableitet, enthalten. Ferner hat das vorlegende Gericht den Zusammenhang darzulegen, den es zwischen den auszulegenden Vorschriften des Unionsrechts und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt. Darüber hinaus muss ein Vorabentscheidungsersuchen ausführlich genug sein und alle relevanten Informationen enthalten.
- Der EuGH kommt in seiner gegenständlichen Entscheidung vom 7.6.2018 zu dem eindeutigen Ergebnis, dass das Vorabentscheidungsersuchen des LVwG OÖ in keiner Weise den vorgenannten Zulässigkeitskriterien entspricht. Gemäß Art. 53 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung kann der EuGH, wenn ein Vorabentscheidungsersuchen offensichtlich unzulässig ist, nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen. Dies hat der EuGH im gegenständlichen Verfahren getan und das Vorabentscheidungsersuchen des LVwG OÖ als unzulässig beurteilt. Das Vorabentscheidungsverfahren ist damit in dem gegenständlichen Fall beendet und hat das LVwG OÖ das bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH unterbrochene verwaltungsgerichtliche Verfahren fortzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dieter Böhmdorfer