Sportwetten werden zwar legal, die Debatte um Casinos geht jedoch weiter.
Die wichtigste Zielgruppe dient Bwin auch als Motiv. In einem aktuellen Werbespot trommeln und singen und schwitzen bierselige Fans von Borussia Dortmund, des FC St. Pauli und des 1. FC Köln, eines Teils der Vereine, für die der Wettanbieter Bwin als Werbepartner viel Geld ausgibt. Stellvertretend für eine Branche mit Milliardenumsatz lautet die Botschaft: Sportwetten und die Leidenschaft des Fußballs gehören zusammen. Als wäre das alles schon immer selbstverständlich, werden Fans vor dem Fernsehen oder im Stadion umworben von einer der zahlreichen Wettfirmen, die dafür Millionen bezahlen. Bis hinauf zum Spitzenverband DFB, der sich seit Jahresbeginn von Bwin sponsern lässt.
Obwohl es so geplant war, hat keine einzige dieser Firmen eine Lizenz in Deutschland; nach dem Gesetz sind Sportwetten nicht legal. Seit einigen Jahren bewegen sich die Anbieter mit ihren Wettshops in den Städten und den Angeboten für Smartphones und Computer in einem rechtlichen Graubereich, in dem die Kunden der Beratungsfirma Goldmedia zufolge inzwischen fast 7,7Milliarden Euro verwetten. Nach der gescheiterten Lizenzvergabe an ursprünglich 20 Anbieter wollen die Ministerpräsidenten der Länder auf ihrer Konferenz am Donnerstag in Berlin ein neues Gesetz beschließen, das den Schwebezustand beendet. Schon das Wortungetüm „Dritter Glücksspieländerungsstaatsvertrag“ verrät, wie verworren die Lage inzwischen ist.
Der Gesetzentwurf sieht eine unbegrenzte Zahl an Lizenzen für Wettanbieter vor, die nun von 1. Januar 2020 für eineinhalb Jahre gelten sollen. Die im Jahr 2011 formulierten Voraussetzungen für die Lizenzvergabe bleiben gleich: Die Anbieter müssen Auflagen zum Jugendschutz, zur Geldwäscheprävention und zur Suchtvorsorge erfüllen und ihre Zuverlässigkeit als Anbieter beweisen. Zum Unmut der Wettindustrie müsste es bei lizenzierten Angeboten aber auch ein Einsatzlimit von 1000 Euro pro Monat geben, woran sich bislang kaum eine Firma hält. Auch das Verbot sogenannter Live-Wetten während des Spiels, etwa auf den nächsten Torschützen, bliebe demnach bestehen.
Im Fußball omnipräsente Anbieter wie Tipico, Bwin oder bet-at-home müssten außerdem ihre Internet-Casinos abschalten, die weiter verboten bleiben. Bis auf Xtip, die Sportwetten-Tochter des deutschen Gauselmann-Konzerns, bieten alle großen Buchmacher hierzulande auch illegale Online-Glücksspiele an. Damit müsste – sofern der Staat das Verbot durchsetzt – zumindest vorübergehend Schluss sein.
Zuständig für die Konzessionsvergabe bleibt das hessische Innenministerium, das vor einigen Jahren mit dem Versuch gescheitert war, 20 Anbietern Erlaubnisse zu erteilen. Die nicht berücksichtigten Bewerber hatten gegen die Entscheidung geklagt und vor Verwaltungsgerichten Recht bekommen. Hinzu kam Anfang 2016 eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Vermittlung von Sportwetten ins europäische Ausland hierzulande nicht mehr geahndet werden durfte.
Wenn Bundesländer ausscheren, haben die Wettanbieter sofort ein Einfallstor
So war die „juristische Blockadesituation“ entstanden, wie es ein Sprecher des Wiesbadener Ministeriums ausdrückt. „Hessen hat sich seit Jahren für ein qualitatives Erlaubnisverfahren anstelle einer rein quantitativen Beschränkung eingesetzt“, heißt es nun aus Wiesbaden. „Das Prinzip dahinter lautet: Wer sich an die Regeln hält, soll auch Sportwetten anbieten dürfen.“
Welche Regeln werden das in Zukunft sein? Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte zwischenzeitlich verdeutlicht, dass er sich eigentlich eine komplette Liberalisierung des Glücksspielmarkts wünscht, wobei es vor allem um das Ende des Online-Verbots geht. Wenn sich die Regierungschefs der Länder am Donnerstag auf den neuen Entwurf verständigt haben, geht der schwierige Teil der Debatte erst los: Sollen virtuelle Roulettetische, Spielautomaten auf dem Smartphone oder Live-Schaltungen in Casinos bundesweit erlaubt werden? Falls sich die Länder nicht auf eine Regulierung von Internetcasinos einigten, werde Hessen ab 2021 ein eigenes Landesgesetz schaffen, heißt es aus Wiesbaden.
Was geschieht, wenn ein Bundesland einen Sonderweg geht, war bis zuletzt in Schleswig-Holstein zu beobachten: Die Kieler Landesregierung hatte von 2012an eigenmächtig Casino- und Sportwettanbieter erlaubt, beschränkt auf Kunden in Schleswig-Holstein. Das war ein Einfallstor in den deutschen Markt, man warb bundesweit im Fernsehen mit dem Landeswappen des nördlichsten Bundeslands und unterhielt deutschsprachige Angebote für jedermann. Jetzt will die Jamaika-Koalition im Norden die inzwischen ausgelaufenen Lizenzen ohne erneute Prüfung einfach per Landesgesetz verlängern. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) reicht dafür am Donnerstag dem Vernehmen nach eine Protokollnotiz: Er trägt die Sportwetten-Regeln mit, bekommt aber gleichzeitig die Möglichkeit, seine Casino-Lizenzen zu verlängern. Anders als früher ist ihm breite Unterstützung sicher.
Quelle:
- Nur eine Zwischenlösung, sueddeutsche.de, 18.03.2019