Glücksspiele im Online-Casino und Wetten auf die Sieger von Gaming-Duellen sind in Deutschland von Gesetzes wegen nicht erlaubt. Es wird Zeit, dass die staatliche Glücksspielregulierung in der digitalen Gegenwart ankommt.
Fifa, League of Legends oder Counter-Strike: Online-Spiele oder „E-Sport“ sind längst ein Massenphänomen und ein Markt, der mit Spielen, Merchandising und Turnieren global einen Umsatz von circa 800 Millionen Euro aufweist. Doch es geht nicht nur ums Spielen an sich, es gibt Profi-Spieler mit Star-Status, eine große Fangemeinde und einen äußerst dynamischen E-Sports-Wettmarkt, der schätzungsweise Umsätze in Höhe von 1,8 bis 6,3 Milliarden Euro machen dürfte. Hinzu kommen klassische Glücksspiele wie Online-Casinos, die in Deutschland mit Ausnahme von Schleswig-Holstein von Gesetzes wegen nicht erlaubt sind.
Doch es fehlt an einer ebenso dynamischen Regulierung. Die aktuellen Regelungen erscheinen ungeeignet, mit den Entwicklungen des Marktes Schritt zu halten. Wie sollen Jugendschutz gewährleistet und Suchtgefahren eingedämmt werden, wenn der Gesetzgeber für neue Glücksspielformen im Internet nur Verbote parat hält, statt sinnvolle regulatorische Rahmenbedingungen zu schaffen?
Die Bundesländer, die für die Regulierung des Glücksspiels zuständig sind, können sich nicht einigen. Dabei läuft die Zeit von der Uhr, der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag ist nur noch bis Ende Juni 2021 gültig. Ein neuer Entwurf muss zwingend bei der EU-Kommission notifiziert werden. Dies impliziert eine dreimonatige Stillhaltefrist. In dieser Zeit darf der Entwurf nicht ratifiziert werden, damit die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten prüfen können, ob durch den Entwurf der freie Verkehr innerhalb der Europäischen Union gehemmt wird. Wird gegen diese Stillhaltefrist verstoßen, müssen die nationalen Gerichte die Rechtsvorschriften für unanwendbar erklären. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, müssen die Länder noch in diesem Jahr eine Entscheidung treffen, wie die Glücksspielregulierung ab Juli 2021 aussehen soll.
Im Oktober 2019 steht die Ministerpräsidentenkonferenz an. Diese dürfte wegweisend sein. Hier müssen sich die Länder endlich einigen oder zumindest einen Fahrplan festlegen. Weitgehend einig ist man sich, dass der Verwaltungsvollzug gestärkt werden und hierfür eine zentrale Stelle geschaffen werden soll. Hinsichtlich der Regulierung des großen Markts von Online-Casinospielen wie „Black Jack“, „Roulette“ bzw. Online-Poker spielen ist jedoch bisher keine Einigung in Sicht.
Ein blauer Brief von der EU-Kommission
Einstweilen konnten sich die Länder lediglich darauf einigen, mittels des 3. Glücksspieländerungsstaatsvertrags ein neues Verfahren zur Erteilung von Lizenzen für herkömmliche Sportwetten zu schaffen. Das bisher vorgesehene Lizenzverfahren war vor den Gerichten gescheitert, so dass keine einzige Lizenz erteilt werden konnte. Wegen des Verstoßes gegen Unionsrecht können sich die privaten Anbieter auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, so dass Sportwetten derzeit faktisch geduldet werden.
Geplant ist, dass das Regierungspräsidium Darmstadt für das neue Lizenzverfahren für Sportwetten zentral zuständig ist. Dieses hatte im August zu einer Informationsveranstaltung geladen, zu welcher mehr als 200 Vertreter aus der Industrie kamen. Wegfallen wird die bisher vorgesehene Deckelung auf maximal 20 Lizenzen, d.h. alle Bewerber können eine Sportwetten-Lizenz erhalten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden. Für Internetangebote soll es ein Höchsteinsatzlimit von 1.000 Euro pro Monat geben. Alle Anbieter haben sich an die Sperrdatei OASIS anzuschließen, damit Spielersperren effektiv umgesetzt werden können.
Jedoch droht auch hier schon wieder neues Ungemach: Ebenfalls im August wurde ein Schreiben der EU-Kommission zu den notifizierten Regelungen des Sportwetten-Verfahrens bekannt. Nachdem sich die EU-Behörde in dieser Sache lange ruhig verhielt, hat sie jetzt einen „blauen Brief“ verschickt – und das nicht zum ersten Mal in Sachen Glücksspielregulierung.
Die Kommission moniert konkret, dass derzeit nicht absehbar sei, wie die Regulierung herkömmlicher Sportwetten ab Juli 2021 aussehe. Wenn nun aber frühestens am 1. Januar 2020 die neuen Regelungen in Kraft treten, verkürze sich die mögliche Lizenzdauer auf maximal 18 Monate. Nach Ansicht der Kommission sind das keine attraktiven Rahmenbedingungen für die Anbieter. Es erscheint daher zweifelhaft, ob das als „politische Brücke“ für das zuvor am Europarechtgescheiterte Sportwetten-Verfahren wirklich tragfähig sein wird und nicht doch wieder nur neue Gerichtsverfahren auslöst.
Aber damit nicht genug: Die EU-Kommission kritisiert darüber hinaus, dass die Bundesländer bis heute die Suchtgefahren von Internetspielen nicht näher untersucht haben. Sollte Deutschland weiterhin die EU-Forderungen hierzu ignorieren, könnte ein Vertragsverletzungsverfahren drohen. Die Kommission verweist insoweit explizit auf ein an die Länder gerichtetes Schreiben vom 20. März 2012, in welchem mit deutlichen Worten moniert worden war, dass die Länder zum grundsätzlichen Verbot von Glücksspielen im Internet keinerlei Daten vorgelegt hatten, obwohl dies nach ständiger Rechtsprechung des EuGH erforderlich sei. Tatsächlich haben die Länder bis heute keine empirisch belastbaren Daten zu den vorgeblich besonderen Gefahren des Internetglücksspiels ermittelt, geschweige denn entsprechende Studien bewertet.
Eigene Glücksspielgesetze in einzelnen Ländern?
Dies zeigt auf, wo der Hase im Pfeffer liegt: Das Internet wird – wohl weil es manchen Entscheidungsträgern in seinen Grundstrukturen fremd zu sein scheint – als gefährlich dämonisiert. Damit gehen aber die Chancen verloren, die eine umfassende Legalisierung des Online-Glücksspiels bieten. Immerhin mehren sich die Stimmen, die wie Nathanael Liminski (CDU), Chef der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, erkennen, dass ein effektiver Vollzug des geltenden Rechts eine legitime und in der Bevölkerung akzeptierte Regulierung mit verbindlichen Kriterien über alle Spielarten hinweg voraussetzt.
Hessen und auch Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile in die Fußstapfen von Schleswig-Holstein getreten und streben eine umfassende Regulierung an. Das nördlichste Bundesland hatte bereits 2011 ein eigenes Glücksspielgesetz verabschiedet, welches eine Legalisierung von Online-Casino- und Pokerspielen bei gleichzeitig strenger Regulierung sowie Konzessionierung anhand qualitativer Kriterien vorsah.Die auf dieser Basis erteilten Lizenzen wurden nunmehr, nachdem sie zwischenzeitlich ausgelaufen waren, bis Juli 2021 mit Duldung der anderen Bundesländer reaktiviert. Dies sei erforderlich, da der milliardenschwere Schwarzmarkt zeige, dass die Menschen unabhängig davon spielen, ob es verboten ist oder nicht, so der Innenminister Schleswig-Holsteins Joachim Grote (CDU).
Eines haben die Länder Schleswig-Holstein, Hessen und Nordrhein-Westfalen klar gemacht: Sollte es auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober 2019 zu keiner Einigung kommen, werden sie einzeln oder gemeinsam ein eigenes Glücksspielgesetz etablieren. Ziel wird hierbei sein, für möglichst alle Spielformen, die auf dem Markt nachgefragt sind, einen verlässlichen Rechtsrahmen zu schaffen. Vorbild hierfür könnte das schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz sein, das von 2012 bis 2013 galt und damals von der EU-Kommission aufgrund der breiten Marktöffnung als EU-rechtskonform befunden wurde.
Opt-in / Opt-out-Lösung als Ausweg?
Nun wollen neben Schleswig-Holstein auch Hessen und Nordrhein-Westfalen ein Erlaubnismodell für die stark nachgefragten Online-Casino- und Online-Pokerspiele einführen. Andere Länder wie Niedersachsen, Sachsen und Brandenburg treten hingegen weiterhin für ein grundsätzliches Verbot von Internet-Glücksspiel ein. Sollte hier eine Einigung nicht gelingen, wird als letzte Option ein Opt-In/Opt-Out-Modell als Lösung diskutiert. Hiernach könnten die Länder, die sich im Moment gegen eine generelle Marktöffnung entscheiden, die Erfahrungen der anderen zunächst beobachten und erst später einsteigen, oder eben auch nicht.
Das Nebeneinander grundverschiedener Online-Regulierungen könnte sich jedoch als „regulatorischer Irrweg“ entpuppen. Wie soll der Bevölkerung in Deutschland vermittelt werden, dass je nach Aufenthaltsort des Spielers die Teilnahme an bestimmten Internet-Glücksspielen mal erlaubt, mal strikt verboten ist? Und auch europarechtlich wäre dies höchst problematisch. Denn die sittlich-moralischen Vorstellungen sind innerhalb Deutschlands nahezu gleich, so dass nicht nachzuvollziehen ist, dass ein und dasselbe Angebot je nach Aufenthaltsort des Spielers mal gesetzlich erlaubt bzw. mal strikt verboten ist. Es könnte deshalb sein, dass dann der Bund die Aufgabe übernehmen müsste, eine einheitliche Glücksspielregulierung für ganz Deutschland zu schaffen.
Klar ist jedenfalls: Nur mit einer umfassenden Regulierung kann der natürliche Spieltrieb in der Bevölkerung auf ein legales und damit überwachtes Angebot kanalisiert werden. Die Annahme, dass etwa ein Online-Casino- oder Pokerspieler sich zu gesetzlich erlaubten Glücksspielformen wie Lotterie- bzw. Sportwetten-Angebote hinlenken lasse, erscheint jedenfalls anachronistisch.
Quelle:
- ISA Guide, 02.09.2019, Glücksspiel im Internet: Blauer Brief der EU setzt die Länder unter Druck