Spielerschutz. Der Verfassungsgerichtshof verschärft die Haftung von Casinos und Spielsalons für existenzbedrohende Verluste.
Der Gesetzgeber habe ein Potemkinsches Dorf errichtet, um gegenüber der EU unter dem Motto Spielerschutz das staatliche Glücksspielmonopol zu rechtfertigen. So argumentierte ein glückloser Spieler in seinem Kampf um Schadenersatz vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH).
Seine These: Unter dem Vorwand, die an Konzessionen gebundenen Anbieter – in Österreich derzeit nur die Casinos Austria – gegen selbstschädigendes Verhalten der Gäste in die Pflicht zu nehmen, habe der Gesetzgeber ihre Haftung gegenüber den allgemeinen Regeln gelockert. Tatsächlich hat der VfGH die entsprechenden Bestimmungen im Glücksspielgesetz aufgehoben. Ab sofort unterliegen die Casinos damit einer strengeren Haftung; indirekt sind auch Betreiber von Spielsalons betroffen.
Der Spieler, der nach eigenen Angaben in den letzten 40 Jahren „fast täglich“ im Casino war, hatte vor dem Landesgericht Linz den Spielbankbetreiber geklagt: Spielverluste in Höhe von mindestens 18.400 Euro wollte er zurückbekommen. Sein Verhalten habe nämlich begründeten Anlass für die Annahme gegeben, dass sein Existenzminimum – er bezieht eine Berufsunfähigkeitspension – gefährdet sei. Dennoch habe der Beklagte keine Nachforschungen über seine persönliche Lage angestellt und ihn auch nie individuell beraten.
Das Gericht wies die Klage jedoch ab. Die Spielbank habe nämlich vier Mal die gesetzlich vorgeschriebenen Bonitätsauskünfte eingeholt, und diese hätten sich als aussagekräftig erwiesen. Auch habe das Verhalten des späteren Klägers keinen Anlass für weitere Nachforschungen in Sachen Existenzminimum ergeben. Also habe das Casino seinen gesetzlichen Pflichten entsprochen.
Der Spieler focht daraufuin nicht nur das Urteil an, sondern zog zugleich auch ebendiese gesetzlichen Pflichten beim VfGH in Zweifel. Aus gutem Grund:
,.Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs wird der unionsrechtlich gebotene Spielerschutz in der angefochtenen Bestimmung nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht“,
sagt nun das Höchstgericht (G 259/2022). Mit anderen Worten: Das Gesetz ist in diesem Punkt gleichheits- und daher verfassungswidrig.
Sorgfaltspflichten setzen zu spät ein
Warum? Besondere Schutz- und Sorgfaltspflichten des Spielbankbetreibers entstehen (gemäß § 25 Abs 3 Glücksspielgesetz) erst dann, wenn die begründete Annahme besteht, dass Häufigkeit und Intensität der Spielteilnahme das Existenzminimum des Spielteilnehmers gefährden. Beobachtet die Spielbankleitung ein solches problematisches Verhalten, muss sie zunächst nur Bonitätsauskünfte bei einer unabhängigen Stelle einholen. Solang sich daraus keine Anhaltspunkte für eine Existenzgefährdung ergeben, ist das Casino außer obligo.
Nach Meinung des VfGH setzt der Spielerschutz unter diesen Umständen vielfach zu spät ein. So hatte auch der klagende Spieler argumentiert: Auffällige, also negative, Bonitätsauskünfte ergehen erst dann, wenn der Betroffene sich seine Rechnungen und Kredite nicht mehr leisten kann, hatte er gemeint. Und der VfGH gibt ihm Recht:
„Der Spielteilnehmer wird in einem solchen Fall regelmäßig bereits in einer Situation sein, in der er seine laufenden Verpflichtungen nicht mehr begleichen kann und daher eine Gefährdung seines Existenzminimums bereits eingetreten ist.“
Beratungsgespräche kämen diesfalls zu spät, so das Höchstgericht.
„Die angefochtene Bestimmung ist somit in einer Durchschnittsbetrachtung nicht geeignet, einen effektiven Spielerschutz zu gewährleisten.“
Der Gerichtshof verlangt daher schon in einem früheren Zeitpunkt zusätzlich zu den Bonitätsauskünften Beratungsgespräche und andere zweckmäßige Maßnahmen zum Spielerschutz. Zugleich hebt er die gesetzliche Einschränkung der Haftung der Spielbankleitung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz auf. Auch für Automatensalons schreibt das Glücksspielgesetz die sinngemäße Einhaltung jener Bestimmungen vor, die der VfGH jetzt durch seine Aufhebungen verschärft hat.
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