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Lässt Österreich grüßen? Anmerkungen zu den Spielerklagen

Flag of Malta, Bild © via Wikimedia Commons / Bild © CCO Creative Commons, Pixabay (Ausschnitt) / Der EUGH in Luxemburg. Foto: © CC 2.0 Cédric Puisney/Wikimedia (Ausschnitt)

Ein Beitrag von Claus Retschitzegger, Jurist und Präsident der OVWG

Malta hatte mit dem Art 56A Gaming Act („Bill 55“) im Mai 2023 für gehöriges Aufsehen gesorgt. Diese Bestimmung im Glücksspielgesetz sieht vor, dass Urteile gegen maltesische Glücksspielunternehmen, die im Widerspruch zu einer gültigen MGA – Lizenz ergangen sind, in Malta nicht anerkannt werden, zumal diese gegen die Public Policy des Landes, einen Ausnahmetatbestand der EU-Verordnung, verstoßen würden. Rasch meldeten sich Insider, insbesondere Vertreter aus der Ecke der Betreiber von Spielerklagen, zu Wort. Sie sehen diese neue Bestimmung als unvereinbar mit der Anerkennung von Entscheidungen (Verordnung (EU) 1215/2012) an und räumen ihr nur eine geringe Überlebensdauer ein.

Die maltesischen Gerichte wenden hingegen in ihren Entscheidungen die „Bill 55“ mit zunehmender Konsequenz an. Eine maltesische Gesellschaft eines Mitgliedsunternehmens der OVWG hatte aufgrund einer bilanziellen Überschuldung durch die Bildung von Rückstellungen aus österreichischen Spielerklagen-Forderungen einen Insolvenzertrag gestellt. In einem vom 19.4.2024 datierten Beschluss (Judgement ID-145697) wurde dem Antrag des Insolvenzverwalters auf Nichtberücksichtigung von Forderungen österreichischer Spielerklagen gemäß Artikel 56A stattgegeben. Das Gericht stellte fest, dass die Ansprüche der Spieler in den Anwendungsbereich von Art. 56A fallen und es im Rahmen ihrer normalen Zivilgerichtsbarkeit nicht befugt wäre, über die Verfassungsmäßigkeit von Artikel 56A zu entscheiden und festzustellen, ob die Bestimmung gegen EU-Recht verstoßen würde. Das Gericht sah sich demnach verpflichtet, Artikel 56A des Glücksspielgesetzes anzuwenden und die Forderungen aus Spielerklagen von der Gläubigerliste zu streichen.

In einem Beschluss (Judgement ID-145696) betreffend eines weiteren Mitgliedsunternehmens der OVWG lehnte das Gericht am selben Tag den Antrag des Prozessgegners auf eine Vorlage zur Vereinbarkeit von Art 56A an den EuGH ab. Das Gericht begründete seine Entscheidung u.a. damit, dass Vorabentscheidungsersuchen zu Fragen der Auslegung von EU-Recht oder Verträgen gestellt werden müssen und nicht zu lokalem Recht, das möglicherweise gegen das EU-Recht verstoßen würde. Das Gericht lehnte daher das Vorabentscheidungsersuchen, so wie andere maltesischen Gerichte vorher in etwa 5-6 gleichgelagerten Fällen, ab.

Im Umfeld der Prozessgegner wurden neben Anträgen an die nationalen Gerichte auf Vorabentscheidungen an den EuGH auch Beschwerden an die EU – Kommission herangetragen, um eine Klärung der Unionsrechtskonformität von Art 56A Gaming Act in deren Sinne herbeizuführen. Bereits am 7.12.2017 hatte die Kommission in einer Pressemitteilung erklärt, dass es Vertragsverletzungsverfahren gegen den Glücksspielsektor und die Behandlung diesbezüglicher Beschwerden einstellen wird. Begründet wurde der Rückzug wie folgt:

„…Auch im Lichte zahlreicher Urteile des Gerichtshofs der EU zu nationalen Glücksspielvorschriften vertritt die Kommission die Auffassung, dass Beschwerden gegen die Glücksspielbranche effizienter durch nationale Gerichte bearbeitet werden können. Beschwerdeführern wird daher nahegelegt, nationale Rechtsmittel zu nutzen, wenn sie sich Problemen mit dem einschlägigen EU-Recht gegenübersehen…“

Die EU- Kommission verweist auf die einschlägigen Entscheidungen des EuGH und nimmt sich damit selbst aus dem Spiel. Dieser Ansatz widerspiegelt sich auch in einer Beschwerde der OVWG an die EU -Kommission vom September 2022 wegen Verletzung des Rechts auf faires Verfahren durch die Republik Österreich in den Spielerklageverfahren, die bis dato defacto unbeantwortet bleibt.

Es verbleibt somit dem EUGH und den nationalen Gerichten zu beurteilen, wie ein Konfliktfall zwischen nationalen Vorschriften und den Vorgaben den Unionsrechts auszulegen ist. Unbestritten normiert der EUGH in seinen Entscheidungen stets eine Pflicht zu dynamischen Prüfungen der Kohärenz durch die jeweiligen Gerichte. Diese Pflicht gilt umso mehr, als im Fall der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven Maßnahme im Bereich des Glücksspiels, die Entwicklung der nach dem Erlass einer Regelung eingetretenen Umstände berücksichtigt werden muss. Ein bloßer Verweis auf vergangene höchstgerichtliche Entscheidungen ist demnach unzulässig. Es liegt lt. EuGH ausdrücklich keine Bindung der unterinstanzlichen Gerichte an die jeweiligen Höchstgerichte vor (siehe dazu – EuGH „Fluctus Fluentum“, C-920/19 RN 40f; „Admiral Casinos“, C-464/15 Rn 36).

Wie gehen die österreichischen Gerichte mit dieser EuGH-Vorgabe um? Lt. OVWG Recherche kam es bei 6510 gerichtsanhängigen Fällen betreffend Spielerklagen von Jänner 2020 – Juni 2023 in nur 404 Verfahren (6,2%) überhaupt zu einer zweiten Tagsatzung; in 35 Verfahren (0,5%) wurde ein Zeuge vernommen und in keiner Verhandlung ein Sachverständiger beauftragt. Von einer inhaltlichen Prüfung kann keine Rede sein.

Wiederholen sich die Ereignisse in Deutschland? Bekanntlich ist Österreich in Bezug auf Spielerklagen Deutschland um 3-4 Jahre voraus. In einer vergleichbaren Dynamik wohl kaum – zumal das deutsche Zivilrecht Schranken für Rückforderungen vorsieht, die das österreichische Recht nicht kennt. So schadet in Deutschland die Kenntnis oder das Kennenmüssen der Spieler von der Verbotenheit des Spiels einer Rückforderung von Spielverlusten gemäß § 817 Satz 2 BGB. Spätestens im Zuge der laufenden umfangreichen Berichterstattung um die einschlägigen BGH – Entscheidungen sollten die Gerichte davon ausgehen können, dass der Spieler Kenntnis hatte oder zumindest ohne grobe Fahrlässigkeit haben müsste.

Auch sind die Verjährungsfristen in Deutschland anders geregelt. Das deutsche Recht normiert gemäß § 195 BGB eine 3-jährige Frist, um Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend zu machen. Derartige Ansprüche verjähren in Österreich gemäß §§ 1478/1479 ABGB erst nach 30 Jahren. Bei leicht fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründeten Tatsachen verjähren hingegen Schadensersatzansprüche gemäß § 199 Abs 3 Nr. 1 BGB spätestens nach 10 Jahren von ihrer Entstehung an. Grundsätzlich sollte eine Berufung der Spieler darauf im Hinblick auf die mediale Berichterstattung jedoch verwehrt sein. Das Sportwettenangebot der regulierten Anbieter erfolgte ab Ende 2020/Anfang 2021 auf Basis einer nationalen Konzession, sodass in der Regel Rückforderungsansprüche aktueller Spielverluste bereits verjährt sein dürften. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Urteil des LG Gießen (3 O 189/23 v. 30.04.2024), das eine Forderung als verjährt erachtet, als der Spieler zum Zeitpunkt seiner Aktivitäten (2019) Kenntnis von seinen Wetteinsätzen über den Betrag von € 1000 pro Monat hatte, sodass zum Zeitpunkt der Klageerhebung (2023) die Verjährungsfrist abgelaufen war. Der Kläger kann sich somit nicht auf die Vorschriften des GlüStV berufen, wenn er seinerseits gegen die Auflagen verstoßen hat. Eine logische Rechtsauslegung, die den Nachweis der Kenntnis des Klägers von der Verbotenheit des Spiels substituiert und die Beweisführung des Gerichts vereinfacht.

Mehr als drei Jahre nach Erhalt der Sportwetten-Konzessionen und der damit verbundenen vermeintlichen Rechtssicherheit verbleiben eine Vielzahl offener (Rechts-)Fragen und eine unsägliche Zwickmühle im Spannungsfeld zwischen maltesischem Recht, den Vorschriften anderer Mitgliedsstaaten sowie der Europäischen Union zum Nachteil aller Beteiligten (außer der Anwälte).

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