Malta stellt seine Onlinecasinos unter gesetzlichen Schutz – auch dann, wenn sie anderswo ohne Konzession agieren. Aber ist das mit Unionsrecht vereinbar? Das ist umstritten, das Handelsgericht Wien wandte sich an den EuGH.
Malta gilt als attraktiver Unternehmensstandort. Ganz generell. Und für Anbieter von Onlineglücksspiel umso mehr. Anders als etwa in Österreich können private Onlinecasinos dort eine Lizenz erhalten und legal tätig sein. Und das auch über die Landesgrenzen hinaus – jedenfalls nach dortigem Recht.
Freilich kann das dann gegen das Recht des anderen Landes verstoßen. Wer in Malta eine Glücksspiellizenz besitzt, steht jedoch unter besonderem staatlichen Schutz: Laut einem im Vorjahr beschlossenen Gesetz dürfen Urteile aus anderen Ländern gegen diese Unternehmen nicht mehr vollstreckt werden, obwohl das Unionsrecht die gegenseitige Anerkennung von Gerichtsurteilen vorsieht.
Ein Gerichtsbeschluss aus Österreich könnte die umstrittene maltesische „Bill 55“ nun zu Fall bringen: Das Handelsgericht Wien stellte ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Es liegt der „Presse“ vor, das Verfahren ist seit Kurzem anhängig (C-683/24).
Verträge absolut nichtig
Worum geht es konkret? Etliche maltesische Onlinecasinos richten ihr Angebot auch an den deutschsprachigen Markt. In Deutschland waren Onlineglücksspiele jedoch bis Mitte 2021 überhaupt verboten, in Österreich gilt das staatliche Glücksspielmonopol. Für Onlineglücksspiel gibt es nur eine einzige Konzession, die derzeit von den Österreichischen Lotterien mit Win2day gehalten wird. Andere Anbieter agieren hierzulande somit illegal.
Das hat gravierende Folgen: Laut ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs (OGH) sind Glücksspielverträge mit Anbietern ohne Konzession absolut nichtig. Dort verzocktes Geld kann zurückgefordert werden. Das haben zahlreiche Spielerinnen und Spieler schon getan, oft mit Unterstützung von Prozessfinanzierern wie z. B. Padronus. Zu dieser Unternehmensgruppe gehört auch die Spielerschutz Sigma Prozessfinanzierungs GmbH – sie ist Partei im Verfahren, das zum Anlass für das Vorabentscheidungsersuchen wurde.
Die Kernfrage des Handelsgerichts lautet nun: Kann Malta tatsächlich – gestützt auf seinen Verfassungsgrundsatz, privates Unternehmertum zu fördern – die Anwendung von Unionsrecht verweigern? Mit der Folge, dass österreichische Verbraucher ihre gegen maltesische Onlinecasinos erstrittenen Ansprüche nicht mehr durchsetzen können?
Spielerin musste Gewinn zurückzahlen
Besonders brisant wird das im Zusammenhang mit einer OGH-Entscheidung, die heuer im Sommer ergangen ist. Ein Anbieter aus Malta hatte den Spieß umgedreht und seinerseits eine Spielteilnehmerin aus Österreich geklagt, die über 7000 Euro gewonnen hatte. Dieses Geld verlangte das Onlinecasino nun zurück und berief sich ebenfalls auf die absolute Nichtigkeit des Geschäfts nach österreichischem Recht.
Was der OGH auch so bestätigte (8 Ob 21/24g): Beim Glücksspielmonopol gehe es nicht nur um Spielerschutz. Und könnten Spieler ihren Einsatz zurückverlangen, wenn sie verloren haben, gewonnenes Geld jedoch behalten, so würden sie risikolos spielen und der Anreiz dafür würde noch größer. Wenn aber der Veranstalter ebenfalls Gewinne einbehalten bzw. zurückfordern könne, entziehe das dem Geschäftsmodell insgesamt die Grundlage.
So nachvollziehbar das ist, bei Anbietern aus Malta geht diese Rechnung nun jedoch nicht mehr auf. Vielmehr agieren diese jetzt risikolos, weil sie von Spielern Geld zurückfordern können, aber selbst vor der Vollstreckung von gegen sie ergangenen Urteilen geschützt sind.
Ausnahmen zu weit ausgelegt?
Bei den Fragen, die das Handelsgericht Wien dem EuGH gestellt hat, geht es nun im Wesentlichen darum, ob es mit Unionsrecht vereinbar ist, wenn ein maltesisches Gesetz „im Ergebnis ein gesamtes Rechtsgebiet“ dem Anwendungsbereich der EU-Verordnung über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen (EuGVVO) entzieht.
Auch dass die Anerkennung ganz generell versagt wird – und nicht nur auf Antrag, wie es die Verordnung für Ausnahmefälle erlauben würde –, hält das Gericht für unionsrechtlich zweifelhaft. Und ebenso, dass der Inselstaat das rein wirtschaftliche Interesse an der Ansiedlung von Onlinecasinos zur Angelegenheit der „öffentlichen Ordnung“ erklärt hat, um eine solche Ausnahme zu be-gründen. Darf ein Mitgliedstaat tatsächlich die bei ihm ansässigen Unternehmen derart in seine „öffentliche Ordnung“ integrieren, dass sie selbst bei rechtswidrigen Tätigkeiten in anderen Mitgliedstaaten vor den Rechtsfolgen geschützt werden?
Thematisiert werden auch lange Entscheidungsdauern – obwohl die EU-Verordnung eine „unverzügliche“ Entscheidung über Anträge auf Anerkennung von Gerichtsurteilen vorsieht. „Letztlich höhlt eine Nichtentscheidung über die beantragten Anerkennungen und Vollstreckungen den gemeinsamen Rechtsraum ebenso aus wie eine ausdrückliche Versagung“, so das Handelsgericht. Wie der EuGH all das bewerten wird, bleibt nun abzuwarten.
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