An sich waren die Wettbewerbshüter in Brüssel über die Entscheidung von Finanzminister Michael Spindelegger, die drei noch offenen Casino-Lizenzen nicht dem langjährigen „Platzhirschen“ Casinos Austria (auch kurz CASAG genannt) sondern zwei neuen Glücksspielgesellschaften, darunter einem ausländischen Konsortium zu vergeben, durchaus angetan. Und das aus zumindest zweierlei Gründen.
Erstens weil damit sichtbar wurde, dass sich die Regierung bei der Lizenzvergabe um eine gewisse Vielfalt bemüht und damit demonstriert, dass Österreich kein „closed market“ ist. Was umso mehr wichtig war, da die Alpenrepublik in punkto Ausschreibungen und Wettbewerb nicht unbedingt als ein EU-Musterland gilt.
Zweitens gibt es in der EU in punkto Monopole eine Art ungeschriebenes Gesetz. Zwar haben die 28 Mitgliedsstaaten in Kulturangelegenheiten und auch auf dem Glücksspielsektor eine gewisse freie Hand. Das gilt allerdings nur für das Beibehalten zum Beispiel bestehender Monopole. Hätte die CASAG, wovon man bei Generaldirektor Stoss und seinem Vize Dietmar Hoscher so gut wie überzeugt war, auch noch die neuen drei Lizenzen erhalten, so wäre das auf die Erweiterung einer Quasi-Monopolstellung hinausgelaufen – und nicht ohne Konsequenzen seitens Brüssels geblieben.
Brüssel blickt mit Argusaugen auf Wien
Bei den Wettbewerbshütern der EU und der für Glücksspielfragen zuständigen EU-Kommission ist man daher schon sehr über das jetzige Gezeter von Stoss & Co verwundert. Man blickt jetzt erst recht wieder mit Argusaugen auf Wien, wie nun mit der Berufung der CASAG gegen die Lizenzvergabe umgegangen wird. An sich ist der Finanzminister an die Empfehlung des unter der Leitung von Alt-Sektionschef Wolfgang Nolz stehenden Begutachtungsbeirates nicht gebunden. Von daher wird auch damit gerechnet, dass der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung wohl kaum revidieren wird.
Stoss riskiert mit seinem Einspruch ALLE neuen Lizenzen, auch seine eigenen!
Sollten freilich die Richter aus welchen Motiven auch immer zu einer anderen Entscheidung gelangen, dann ist nicht ausgeschlossen, dass es letztlich auch noch zur Aufhebung der Vergabe des Stadt- und Landpakets kommt.
Lopatka-Plan wurde zurückgepfiffen
Das Pikante an der Ausschreibung war nämlich, dass bereits das Schnüren dieser beiden Pakete als nicht unumstritten galt, weil damit augenscheinlich der bisherige Betreiber bevorzugt wurde. Um mehr Objektivität zu wahren, plante auch der damalige Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka, die 12 Altcasinolizenzen in so genannten 3-er Paketen zur Ausschreibung zu bringen. Soll heißen, dass ein guter, ein mittlerer und ein eher schlecht laufender Standort zusammen gebunden werden. Dieses Modell hatte seinen Grund darin, dass derzeit nur drei der österreichischen Casinos schwarze Zahlen erwirtschaften, einige sich dahin schleppen und über den Rest der Mantel des Schweigens gebreitet wird. Um gleichwertige Angebote zu präsentieren, wurde daher dieses Modell ventiliert. Lopatka allerdings zurückgepfiffen …
CASAG „diktierte“ dem BMF
Damit ist das Thema Glücksspiel schon beim Kapitel politische Interventionen angelangt. Auch diesbezüglich führte Stoss lautstark Klage, was an mehreren Stellen mit der Bemerkung Quittiert wurde, dass hier jemand mit Steinen wirft, der selbst im Glashaus sitzt. Tatsächlich hatte die CASAG das für das Glücksspiel zuständige Finanzministerium jahrelang geradezu am „Bandl“. Wie eng das Verhältnis war, zeigte sich unter anderem 1997 und 2000. Obwohl Österreich schon damals Mitglied der EU war, wurden die auslaufenden Verlängerungen für die so genannten Stadt- und Landcasinos gewissermaßen unter der Hand und ohne Ausschreibungen durch das Ministerium einfach dekretiert. Was sich auf Dauer auch nicht halten ließ. So musste sich einer der besonderen „Vertrauensbeamten“, Peter Erlacher, nicht ganz freiwillig karenzieren lassen. Und werkt nunmehr an der Seite von CASAG-Vorstand Hoscher als dessen rechte Hand. Kein Wunder, dass nicht einmal, so etwa im Zuge der Beratungen zu den Glücksspielgesetznovellen 2008 und 2010 Stellungnahmen der CASAG im Wortlaut und das auch noch 1:1 übernommen wurden. Nicht zuletzt war es Hoscher höchst persönlich, der sich nicht nur intern damit brüstete, Freund und Berater von Bundeskanzler Werner Faymann zu sein und dem es daher schon gelingen werde, die Weichen richtig zu stellen.
Kreditvergabe an gefährdete Spieler
Auch der wehleidige Versuch, zu betonen, dass die CASAG ein so sauberer Konzern sei, der sich nichts und nimmer zu Schulden kommen ließ, das Argentinien-Debakel geradezu ein lächerliches Gegenargument wäre, greift nicht wirklich. So etwa gewährte das Unternehmen jahrelang guten Spielern, die in einer privaten Klemme waren, private Kredite. Da wurde der Begriff der Spielkreditverleih-Bank ordentlich falsch interpretiert. Ist doch unter anderem der Fall dokumentiert, dass der bereits im Konkurs befindlich Fußballpräsident Hannes Kartnig noch über einen Kreditrahmen von 35.000 Euro verfügte. Was ohne Folgen blieb, aber nicht nur für Kopfschütteln sorgte.
Häupl und Pröll verärgert
Besonders verärgert ist man in politischen Kreisen, dass Casinos Austria die Entscheidung nicht akzeptiert – wie etwa die nicht zum Zug kommenden Century Casinos. Das betrifft zunächst Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Er hat ohnedies bereits alle Hände voll zu tun, um die Forderungen linker Gruppen, wie der Sektionen 8 und 9, nach einem generellen Glücksspielverbot abzuwehren. Und sieht sich nun damit konfrontiert, dass – aus welchen Gründen auch immer – das generelle Thema nun wieder hochkommt.
Wie so oft ist auch Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll einer Meinung mit seinem Hauptstadtkollegen. Bei ihm gibt es andere Motive. So, weil er vor bald zehn Jahren vom damaligen Generaldirektor Leo Wallner im Stich gelassen wurde. Hatte man doch vereinbart, im Raum Korneuburg ein Entertainment-Center aufzuziehen. Mit einem tollen Musicaltheater und auch einem Casino. Pröll schuf die nötige Infrastruktur, bloß die CASAG verabschiedete sich grußlos. Mit ein Grund, warum die in Gumpoldskirchen ansässige Novomatic bei Pröll Anerkennung fand. So wurde sehr wohl in St. Pölten registriert, und das zeigt die Bodenhaftung des blau-gelben Landeshäuptlings, dass der von Johann F. Graf über Jahrzehnte aufgebaute Konzern nicht nur ein Leitbetrieb ist sondern zu den Weltmarktführern am Glücksspielmarkt zählt, aber bislang keine Chance erhielt, seine volle Kompetenz auch am heimischen Markt unter Beweis zu stellen.
Spindelegger grollt Altsektionschef Nolz
Einer, der sich besonders verärgert zeigt, dies aber nicht nach außen bekundet, ist Finanzminister Spindelegger. Er, der schon die alte Hypo-Causa umgehängt erhielt, muss sich jetzt auch noch mit dem Vorwurf einer angeblich unkorrekten Lizenzvergabe herum schlagen. Dabei ist Stoss nicht nur ein VP-Sympathisant sondern auch noch ein Kartellbruder von „Spindi“, der allerdings auch mit Vorwürfen an Nolz sich nicht zurückhielt. Einerseits weil man offensichtlich nicht ganz unbeteiligt war, als Wochen vor der finalen Entscheidung das Gerücht kursierte, dass alle drei neuen Lizenzen der bisherige alleinige Casinobetreiber erhalten würde. Andererseits weil die schlampige Ausarbeitung der Bescheide geradezu als eine „skandalöse Arbeits- und Vorgangsweise“ gewertet wird. Damit dürfte wohl auch die über das Pensionsantrittsalter hinaus verlängerte Arbeitsperiode nun ein Ende finden.
Verhältnis Raiffeisen-Stoss belastet
Bleibt zum Schluss nur noch übrig, was der eigentliche Grund gewesen dürfte, dass sich Stoss das Mandat zu einem Einspruch der Lizenzvergabe und dem massiven Angriff durch die Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner geben ließ. Dazu hört man aus Raiffeisenkreisen, dass dort schon seit längerem Unzufriedenheit mit der Führung der Casinos-Austria-Gruppe herrscht. Eine Veränderung könnte da früher als erwartet anstehen. Das betrifft den Aufsichtsratsvorsitzenden Walther Rothensteiner, dem unter anderem nachgesagt wird, zu viele Aufsichtsratsfunktionen zu bekleiden und keine Zeit für anstehende Probleme zu haben. Um „sein Leiberl“ freilich rennen muss Stoss selbst. Er bekommt jetzt die Rechnung für sein Verhalten in vorangegangen Funktionen – so etwa in der EA Generali oder bei der PSK – zu spüren, wo er sich immer wieder mit Spitzenleuten angelegt hatte, letztlich aber selbst keine Erfolge vorweisen konnte. Das gilt auch für die Casinos Austria Gruppe. Als Stoss von Wallner die Geschäfte übernahm sprach man von einem Vorzeigeunternehmen „Made in Austria“, das zusammen mit den Österreichischen Lotterien, ohne deren Betriebsergebnis die CASAG arm dastehen würde, zu einem der größten Steuerzahler zählte. Davon ist man heute weit entfernt, vielmehr geht Geld beim Sanieren des Auslandsgeschäftes verloren, wo von einst gut 80 Casinos weltweit nur noch weniger als die Hälfte übrig geblieben sind. Den heimischen Casinos fehlt die Innovation, beim Auslandsbusiness mangelt es einer zukunftsweisenden Strategie, lautet nur einer der Vorwürfe.
ÖIAG in Wartestellung – Bald gravierende Änderungen in der Eigentümer- und Aufsichtsrat-Struktur?
Aktuell wird nicht mehr ausgeschlossen, dass nach den Ferien der mit Spindelegger bereits abgesprochene Plan, dass die Staatsholding ÖIAG zumindest die Anteile der Münze Österreich und der Kirchenbank Schelhammer & Schattera übernimmt, konkrete Formen annimmt. Bislang hatte Raiffeisen gewissermaßen das Recht der „primae noctus“ auf die CASAG. Jetzt wäre man bereit, darauf zu verzichten, um den Weg für eine notwendige Neuaufstellung frei zu geben.
Sehr bemerkenswert sind auch die personellen Weichenstellungen innerhalb der ÖIAG: der neue Aufsichtsratsvorsitzende Prof. KR Ing. Siegfried Wolf und die Aufsichtsrätin Dr. Susanne Ries (ehemals Vizekanzlerin der Republik Österreich) kennen sich ziemlich gut. Frau Dr. Riess sitzt auch – wie Dr. Stoss – im Unternehmensbeirat der Signa Holding des Immo-Investors Benko. Diesem Herrn Benko wurde massives Interesse an den CASAG-Anteilen nachgesagt, was dieser aber dementierte. Dieses „Interesse“ wiederum tat auch Dr. Karl Stoss nicht besonders gut, zumindest innerhalb des derzeitigen CASAG-Aufsichtsrates und seiner Vorstandskollegen. Diese „Verzahnungen“ mit einer privaten Investoren-Gruppe gefallen den Funktionärs-Gläubigern in der CASAG gar nicht.
Gut möglich, dass in naher Zukunft die ÖIAG das „Sagen“ in der CASAG/Lotterien-Gruppe hat und dort – innerhalb der ÖIAG – Dr. Susanne Riess (die auch Wüstenrot Chefin ist), gemeinsam mit Sigi Wolf das „Ruder“ übernimmt. Damit würde in der CASAG/Lotterien-Gruppe ein deutlicher Wandel in der Firmenkultur der Führungsmannschaft mit gravierenden Folgen auf den ganzen Konzern eingeleitet.
Auswirkungen auf die paradiesischen Gehalts-Pyramiden und den gesamten Führungsstil sind mehr als wahrscheinlich. Damit könnten auch technische Kooperationen, wie diese für die CASAG/Lotterien-Gruppe dringend notwendig wären, umgesetzt werden, was wiederum deren Ertragslage rapide verbessern würde.
Eine mögliche Nachfolgerin von Dr. Karl Stoss hält sich derzeit vornehm zurück, auch in der Lizenz-Diskussion: und lässt Stoss und Hoscher den „Vortritt“ im Kampf um die Lizenzen: Mag. Bettina Glatz-Kremsner – derzeit Vorstandsdirektorin der Österreichischen Lotterien GmbH.
Spannende Zeiten in der Glücksspielbranche – ein neues Zeitalter, ein „echter Umbruch“ ist eingeläutet.