Es war ein locker dahingesagter Satz, welcher wahre Abgründe unvorstellbarer Absprachen zwischen Wiener Politikern und dem Glücksspielriesen offenbart: „Diese Zusage habe ich SCHRIFTLICH“ sagte Stadträtin Ulli Sima dem Magazin FORMAT.
FORMAT veröffentlicht am 4.5.2015: Glücksspiel – Stadt Wien strikt gegen VLT-Automaten der Lotterien
Seit langem ist ein Statement von DI Friedrich Stickler, Vorstandsdirektor der Österreichischen Lotterien bekannt.
Sinngemäß soll dieser dem Land Wien bzw. dessen Politikern versprochen haben, KEINE Glücksspielgeräte der Type VLT in Wien aufzustellen, wenn dafür im Gegenzug das neue Bundesglücksspielgesetz für Geldspielautomaten vom Land Wien NICHT per 1.1.2015 übernommen wird.
Zur Klarstellung: es geht NICHT um das sogenannte „Kleine Glücksspiel“. Dieses ist seit der Novellierung des Glückspielgesetzes im Jahre 2010 Geschichte. Es geht um das von mehreren Bundesländern wie OÖ, NÖ, Stmk, Kärnten und Burgenland übernommene neue BUNDESGesetz für den Betrieb von Geldspielgeräten unter direktem Online-Anschluss an das BMF, strengstem Spielerschutz etc … bei stark reduzierter Automatenzahl.
Beispiel: Steiermark hat derzeit ca. 3.000 Geräte in Betrieb, ab 1.1.2016 werden es nur mehr 1.200 legale Automaten sein!
Dieses (bisher angebliche) Zitat geisterte jahrelang durch mehrere Medien, als eine Art Verschwörungstheorie mit Totengesang auf das Automatenglücksspiel in Wien.
Nun aber ist alles ANDERS: Gemäß der Aussage von Stadträtin Sima gibt es tatsächlich ein Schriftstück über diesen Vorgang, sicherlich auch als „Vertrag“ zu bezeichnen.
Damit tauchen mannigfaltige, ernsthafte Fragen mit großer Tragweite auf:
WESHALB verspricht eine österreichische Aktiengesellschaft mit großteils privaten Aktionären einem Bundesland bzw. dessen Politiker, auf Einnahmen in Höhe von etwa 150-200 Millionen Euro pro JAHR (die Österreichischen Lotterien könnten marktkonform etwa 2.000 sogenannte VLT-Geldspielgeräte in Wien „locker“ platzieren) zu verzichten?
WESHALB verzichten das Management und der Aufsichtsrat einer dem österreichischen Aktiengesetz verpflichteten Firma freiwillig darauf, Mehreinnahmen und mehr Profit für seine Aktionäre zu erwirtschaften?
WESHALB nimmt diese österreichische Aktiengesellschaft in Kauf, jährlich etwa 60 – 80 Millionen Euro an Abgaben für die Republik Österreich NICHT zu erwirtschaften?
WESHALB riskiert diese Aktiengesellschaft einen wesentlichen, wichtigen Markt Österreichs, nämlich jenen des kaufkräftigen Wiens an die ILLEGALEN Automatenbetreiber zu verlieren?
WESHALB nimmt diese österreichische Aktiengesellschaft in Kauf, dass durch diese illegalen Automatenbetreiber nicht nur der Staat, sondern auch zahlreiche einzelne Bürger (also Spieler) geschädigt werden, weil die Illegalen sich „in aller Ruhe“ verbreiten können und die Spieler KEINERLEI Spielerschutz haben?
WESHALB nimmt ein Glücksspielkonzessionsinhaber das oberste RECHT auf BETRIEB einer Konzession nicht wahr?
WESHALB hat diese Aktiengesellschaft überhaupt eine Konzession OHNE vollständige BETRIEBS-Pflicht für 5.000 (!) Geräte erhalten?
WESHALB haben alle anderen Glücksspielkonzessionen zu Recht die Betriebspflicht als wesentliche Voraussetzung, zumal nur damit die Steuerschöpfung funktioniert. Vor allem aber: diese Betriebspflicht schützt die Konsumenten, die Spieler. Österreich hat seit einigen Jahren weltweit den besten Spielerschutz ins Gesetz geschrieben.
Dieser Schutz muss auch umgesetzt werden!
DIESE „VLT“- Konzession aber kann offensichtlich nach Belieben in „Deals“ eingesetzt werden?
Das sind einige ziemlich sachliche Fragen.
Aber nun wird es noch viel spannender
Die Vertreter einer österreichischen Aktiengesellschaft sind verpflichtet, JEDE Maßnahme zum Wohle des Unternehmens wahrzunehmen, welche den Gesetzen und dem Markt entspricht.
Wenn diese im Gesetz sinngemäß verankerte Pflicht nicht eingehalten wird, kann es dazu mehrere Erklärungen oder Rechtfertigungen geben:
ERSTE Erklärung:
Der Verzicht, VLT-Geldspielautomaten in Wien aufzustellen und dazu mit dem Land Wien oder dessen politischen Vertretern eine „Deal“ abzuschließen, ist für die Aktiengesellschaft ein POSITIVER Akt.
Dazu gäbe es vordergründig einige Argumente: „Spielerschutz vor zu viel Automaten“.
Schwer bis unmöglich darstellbar. Der Spielerschutz wird von der CASAG-Lotterien Gruppe gewährleistet, das Versprechen die Unternehmen auf ihrer Homepage und in zahlreichen Darstellungen.
NUR wenn dieser Spielerschutz in der Praxis gelebt wird, werden illegale Betreiber zurückgedrängt und die Spieler geschützt.
Wer auf den Betrieb einer gültigen Konzession verzichtet, leistet auch den illegalen Anboten Vorschub!
Diese Argumentation fällt also eindeutig weg
Weitere mögliche Erklärung:
Der „Deal“ bringt der Aktiengesellschaft gleichwertige Vorteile durch das Land Wien oder stellt sie besser, als würden die VLT-Automaten betrieben.
Also an der Vergabe einer Casino-Konzession oder der Vergabe von zwei Casino-Konzessionen kann es NICHT liegen: Diese vergibt der Bund durch ein umfangreiches Ausschreibungsverfahren. (Übrigens ging dabei die CASAG leer aus, allerdings bisher nicht rechtskräftig).
Weitere „Vorteile“ für die Aktiengesellschaft, damit dieser „Deal“ gleichwertig für beide Partner abgehandelt wird, sind bis dato nicht zu finden.
(Tiefe Geheimnisse sind natürlich immer von dieser Beurteilung ausgeschlossen).
Noch eine Erklärung:
Dieser „Deal“ zwischen der Aktiengesellschaft und dem Land Wien bzw. dessen Politikern hilft der Firma, „gefährliche“ Konkurrenten vom Markt zu vertreiben.
In der Praxis also den Novomatic-Konzern zumindest mit seinen Geldspielgeräten aus Wien zu vertreiben, inklusive der vielen „kleinen“ privaten Automatenbetreiber mit gültigen Konzessionen.
Ja, DAS wäre eine Argumentation.
RESULAT dieser „Vertreibung“: die Spieler spielen jetzt OHNE Spielerschutz bei Illegalen, sie spielen illegal online, wandern in Nachbarregionen oder suchen neue Glücksspiel-Arten.
Ach Ja, „gebracht“ hat es schon was: dem Land Wien sind jährlich 50 Millionen Euro an Glücksspielabgaben verloren gegangen!
„Gebracht“ hat es auch dem Mitbewerber ca. 14 Millionen „Schließungskosten“, weitere zig-Millionen an investiertem Equipment, ca. 1.000 neue arbeitslose ehemalige Mitarbeiter in Wien, die „Öffnung“ des Marktes für die illegalen Betreiber und zahllose Spieler, die in die Fallen dieser Illegalen tappen.
Den „Markt“ der Spieler hat dieser „Deal“ nicht geschmälert, nur verändert. Zu einem sehr hohen Preis.
Von den jährlichen Steuerleistungen an den Bund (abgesehen dieser genannten 50 Mio. Euro an das Land Wien) in Höhe von geschätzten 60-100 Millionen Euro wird ebenfalls geschwiegen.
Diese Argumentation hilft aber den Verantwortlichen einer Aktiengesellschaft auch nicht aufs Pferd: Die „Vertreibung“, also das Automatenverbot, bringt der Aktiengesellschaft in EINEM CASINO etwas mehr Umsatz … ein paar Millionen Euro pro Jahr.
Diese Umsatzsteigerung steht in KEINER Relation zum Verlust, welchen die Aktiengesellschaft erleidet, weil sie die vorhandene, noch 13 Jahre gültige Automaten-(VLT)-Konzession in WIEN NICHT einsetzt!
Es gibt noch ein paar Erklärungen:
Die Schadenfreude über einen gelungen Coup, einen „Dirty Deal“. ENDLICH ist der Mitbewerber aus dem Feld geschlagen, die „Guten“ haben gesiegt.
Darüber freuen sich die Aktionäre und der Fiskus wegen verlorener Steuereinnahmen sicher NICHT.
Nachdem alle hier zitierten Erklärungen NICHT greifen, muss die Schluss-Frage gestellt werden:
WESHALB verschenkt diese Aktiengesellschaft Millionen Euro an Jahresgewinn und verhindert hohe Steuereinnahmen, nur um einen „Gefallen“ zu tun?
WEM sollte der „Gefallen“ gemacht werden? Mit welchen Auswirkungen, kurz- und langfristig?
Diese eingangs zitierte „schriftliche Vereinbarung“ zwischen der CASAG/Lotterien-Gruppe und dem Land Wien (oder dessen Politikern) sollte fairerweise veröffentlicht werden!
Antworten, Klarstellungen, Aufklärungen erbeten an die Redaktion Spieler-Info.at.