Spieler-Info.at ersuchte die Rechtsanwaltskanzlei Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH um ihre Expertise zum aktuellen Stand des österreichischen Glücksspielgesetzes nach dem klaren Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 15.10.2016.
1. Der VfGH hat sich in der Herbstsession 2016 – auf Antrag des Obersten Gerichtsho-fes (OGH) – mit zentralen Bestimmungen des GSpG auseinandergesetzt und dessen Verfassungskonformität bestätigt. Die Anträge auf Aufhebung einzelner Bestimmun-gen des GSpG wurden mit Erkenntnis bzw. Beschluss des VfGH vom 15.10.2016 je-weils ab- bzw zurückgewiesen.
2. Der Verfassungsgerichtshof ist nach dem österreichischen Bundesverfassungsgesetz (B-VG) vor allem zur Entscheidung über die Verfassungskonformität von Gesetzen und die Gesetzeskonformität von Verordnungen berufen. Als Gericht eines Mitglieds-staates der EU ist er zudem verpflichtet, bei allen seinen Entscheidungen den Anwen-dungsvorrang des Unionsrechts zu beachten. Als Höchstgericht ist er bei Zweifeln über die richtige Auslegung des Unionsrechts nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflich-tet, die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zur Vorabent-scheidung vorzulegen. Der EuGH hat das Auslegungsmonopol in Fragen des Unions-rechts.
3. Der VfGH konnte als österreichisches Gericht nur über die Verfassungskonformität des GSpG endgültig entscheiden. Aufgrund des Anwendungsvorranges des Unions-rechts muss er jedoch unionsrechtliche Bedenken bei seiner Entscheidung mitberück-sichtigen und ergibt sich aus dem Erkenntnis des VfGH implizit, dass der VfGH auch keine Bedenken hinsichtlich der Unionsrechtskonformität des österreichischen GSpG hat.
4. Die Letztentscheidung, ob ein Rechtsakt eines Mitgliedsstaates unionsrechtskonform ist, liegt beim EuGH. Dieser hat es bislang bewusst unterlassen, explizit über die Uni-onsrechtskonformität einzelner Bestimmungen des geltenden GSpG zu entscheiden. Vielmehr hat er die bislang an ihn herangetragenen Fragen zur Vorabentscheidung be-treffend das GSpG dazu genützt, verschiedene Kriterien für die Zulässigkeit der Be-schränkung der Dienstleistungsfreiheit und staatlicher Monopole zugunsten des Spiel-erschutzes aufzustellen. Diese Kriterien bilden zusammen ein bewegliches System. Der Spielerschutz ist jedoch auch nach Ansicht des EuGH grundsätzliche eine sachliche und angemessene Rechtfertigung für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, z.B. durch ein Konzessionssystem wie im GSpG.
5. Mit dem VfGH und dem VwGH (gemäß seiner Entscheidung vom 16.3.2016) haben nunmehr schon zwei der drei Höchstgerichte die Zulässigkeit und Anwendbarkeit des GSpG bestätigt. Es ist davon auszugehen, dass nach dem Erkenntnis bzw. Beschluss des VfGH vom 15.10.2016 nun auch der OGH sich dieser Rechtsprechung anschlie-ßen wird, womit eine einheitliche Rechtsprechung aller drei Höchstgerichte in Öster-reich hergestellt wäre. An die Rechtsansicht der übergeordneten Gerichte sind die un-terinstanzlichen Gerichte grundsätzlich gebunden. Wenn in Zukunft – aller Voraussicht nach – eine einheitliche Rechtsprechung aller drei Höchstgerichte zur Zulässigkeit des GSpG besteht, wäre eine davon in wesentlichen Punkten abweichende Rechtspre-chung eines unterinstanzlichen Gerichtes höchst ungewöhnlich und müsste wohl die Vertretbarkeit einer solchen abweichenden Entscheidung genau hinterfragt werden.